Rückblick: EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN in der Columbiahalle


Ende Juni erschien „Still Smiling“ von BLIXA BARGELD und TEHO TEARDO | am 27.09.13 live in der Volksbühne



Ende Juni erschien das wunderbar introspektive, ungemein stimmungsvoll arrangierte Album „Still Smiling“, eine Kollaboration von Neubauten-Mastermind BLIXA BARGELD und TEHO TEARDO, einem der aktuell angesagtesten Filmkomponisten Italiens, der in der Vergangenheit bereits mit solch unterschiedlichen Größen wie Lydia Lunch, Wire, Scott McLoud (Girls Against Boys) oder Placebo zusammenarbeitete.

Am 27.09.2013 sind TEHO TEARDO und BLIXA BARGELD live in der Volksbühne Berlin zu erleben.

Anlässlich der Veröffentlichung von Still Smiling blicken wir in der neuen Rubrik „Popmonitor Classics“ auf ein Konzert der Einstürzenden Neubauten zurück, einer Berliner Institution, die längst Einzug in die Hochkultur gehalten hat.

www.neubauten.org
www.tehoteardo.com

Einstürzende Neubauten // 24.05.2008 // Columbiahalle

„Lassen Sie uns einen schönen Abend verleben“, sprach Blixa Bargeld in gewohnt ironisch gefärbter Distanz, gleichwohl einigermaßen gut gelaunt um kurz nach 21 Uhr zum für einen Samstagabend ziemlich frühen Beginn des nach gut drei Jahren ersten Konzerts der Berliner Industrial-Pioniere in der so gut wie ausverkauften Columbiahalle in ihrer Heimatstadt.

Die relativ dezente, stimmungsvoll anmutende Bühnendeko inklusive niedrig hängender, untertassenartiger Lampen, im Lauf des Abends zwischen gleißend hell, warmem blau und rot changierender Illuminierung und überdimensional im Bühnenhintergrund prangenden Covers des aktuellen Albums Alles Wieder Offen sollte dann auch perfekt den diesen überwiegend von intimer Reduktion, dynamischer Ökonomie sowie wonniger Feierlichkeit geprägten Auftritt der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN umrahmen. Diesem sollte auch nicht selten eher der Charakter einer aufs Wesentliche beschränkten und sich des Öfteren galant in der Kunst des Weglassens übenden Performance, denn dem einer bei früheren Konzerten zuvorderst dominierenden Ästhetisierung von Lärm und Experiment innewohnen, auch wenn ja bereits ihr 2004er-Konzert im Tempodrom eher einem für NEUBAUTEN-Verhältnisse „leichten leisen Säuseln“ als Ausdruck einer sich schon seit längerem abzeichenden Entwicklung hin zu klangästhetischer Defensive geglichen hatte (

Als eindeutiges Indiz dieses ja nun schon seit mindestens über zehn Jahren verstärkt verfolgten Ansatzes konnte bereits die Auswahl der Stücke gewertet werden, die nahezu allesamt dem neuen Millennium und insbesondere dem aktuellen Album sowie exklusiver, lediglich ihren so genannten Unterstützern vorbehaltenen Veröffentlichungen entstammten. ‚Die Wellen‘, ‚Nagorny Karabach‘, ‚Weil Weil Weil‘, ‚Ich Hatte Ein Wort‘ u.a. von Alles Wieder Offen wurden demzufolge sowohl um einige Stücke vom 2004er Perpetuum Mobile (

Manch einem mag die Performance insgesamt gar ein wenig zu ruhig bzw. bedächtig erschienen sein, doch war es gerade diese präzise austarierte Zurückgenommenheit und die somit erzielte Betonung der beeindruckend kraftvoll vorgetragenen, metaphernreichen Bargeldschen Lyrik, die ganz besonders faszinierten. Außerdem blieb daneben natürlich stets auch nach wie vor genügend Raum für die überwiegend vom umtriebigen Perkussions-Klangwerker N.U.Unruh und „Drummer“ Rudolf Moser im Verbund mit Bassist Alex Hacke erzeugten, sich nach wie vor mittels allerlei ungewöhnlicher technischer Gerätschaften als hypnotische Rhythmus-Monolithe entpuppende Stücke (‚Die Befindlichkeit des Landes‘, ‚Let’s Do It A Dada‘, ‚Alles‘). Wunderbar aber ebenso die sich langsam lärmend erhebenden, den Kulminationspunkt gerne zusätzlich mittels choraler Vielstimmigkeit sämtlicher Bandmitglieder aufs Äußerste hinausgezögerten Spannungsaufbauten wie beispielsweise im grandios herbeigesummten Höhepunkt in ‚Unvollständigkeit‘ vom aktuellen Album.

Nach dem mit dem wundervollen ‚Youme & Meyou‘ von Perpetuum Mobile eingeleiteten Ende des zweiten Zugabenblocks und somit eines über zweistündigen Konzerts dürfte die überwiegende Mehrheit der Besucher für sich ganz persönlich konstatiert haben, dass – für ein Konzert der NEUBAUTEN zwar immer noch ein wenig untypisch – hier Weniger größtenteils tatsächlich eindeutig mehr war und die einst so lustvoll lärmenden Berliner Klangkonstrukteure mittlerweile den teilweise auch durchaus schon am Publikum abzulesenden Status einer im weitesten Sinne konsenstauglichen Familienband innehaben. Trotz knapp 30 Jahren Bandhistorie eigentlich unglaublich.

www.neubauten.org

Autor: [EMAIL=thomas.stern@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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