SAND.IG – Berliner Act des Monats April 2011


Neue Songs und alte Männer.



Update: SAND.IG am Freitag, 24.04.2015 live in Berlin @ Privatclub w/ MOON MILK FOR CANCER CAT | 20 Uhr / Eintritt 8 Euro

Von der Kritik von Beginn an für ihren eigenwillig-abwechslungsreichen, von Bands wie Einstürzende Neubauten, Sandow, Sonic Youth oder Deus beeinflussten Sound und die anspruchsvollen Texte gefeiert, lösten sich die 2001 noch unter dem Namen Sand gegründeten SAND.IG nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums Waren des täglichen Bedarfs Anfang 2006 dennoch überraschenderweise auf, um sich fortan neuen musikalischen Projekten und anderen wichtigen Dingen privater Natur zu widmen.

Nach gut vierjähriger Auszeit kam es Anfang 2010 zu ersten zarten Annäherungsversuchen und schließlich zur Reunion der inzwischen zum Quintett angewachsenen Band, die den neu entfachten Spirit umgehend in kreative, sich nachhaltig manifestierende Energie umzusetzen vermochte und mit Still nun gar schon eine neue, sechs Songs starke EP veröffentlichen wird.

Kurz vor der EP-Release-Party am kommenden Freitag (zusammen mit den Lautfrosch Records-Labelkollegen von

Von der Presse von Beginn an attestierte Attribute wie „energiegeladen“, „abgefahren“, „eigenständig“ oder „vielschichtig“ sind definitiv auch im Jahre 2011 für die neue EP Still zutreffend. Auch diesmal gehen das Melodiös-Melancholische und das Wütend-Verstörerische eine ganz wunderbare, nahezu perfekte Symbiose ein. Einige Songs (wie der Opener ‚Wir Sind Sand‘ oder ‚Der Brief‘) klingen gar noch ein wenig dringlicher in Sound und Aussage. Keine Spur von einer gewissen „Altersmilde“?

Robert: Das freut mich jetzt erstmal, dass du die neuen Songs so beschreibst. Wir altern zwar, aber deswegen fangen wir jetzt nicht an, Countrymusik zu machen. Die Intensität beim Spielen ist etwas, was uns schon immer ausgezeichnet hat, und das ist das, was SAND.IG für mich ausmacht. Wenn wir zusammen spielen, baut sich einfach immer eine Menge Energie auf. Und wenn man nicht wirklich für seine Musik brennt und sein ganzes Herzblut einfließen lässt, kann man es auch bleiben lassen und sich ein anderes Hobby suchen. Zudem ist nicht zu befürchten, dass in Stephans Leben jemals alles so gut werden wird, dass er keine solchen Texte mehr schreiben kann.

Wie würdest Du den Unterschied zu den ersten Veröffentlichungen selbst sehen, würdest Du von einer „konsequenten Weiterentwicklung“ sprechen?

Robert: Ich empfinde es schon so, dass wir musikalisch reifer geworden sind und auch mehr Melodie zulassen als je zuvor – um nicht zu sagen: Pop. Solche Sachen wie ‚Der Brief‘ mit seinem relativ ruhigen Anfang – das haben wir so bislang noch nicht gemacht. Mit den elektronischen Sounds und Synthie-Stimmen, die Christoph jetzt einbringen kann, haben wir ein großes Potenzial zur Weiterentwicklung. Still war da erst der Anfang.

Auch auf Still findet sich in Euren Texten wieder eine ausgewogene Balance zwischen abstrakter Kopflastigkeit, augenzwinkernder Ironie und lyrischer Leichtigkeit. Es scheint, als ginge es bei SAND.IG 2011 thematisch in erster Linie um eine gewisse Unentschiedenheit zwischen dem weiterhin vorhandenen Willen zum Aufbegehren in bester Punk-Tradition und einer Neuorientierung hin zu einer Art von neuer Innerlichkeit (anhand der metaphorisch aufbereiteten Stadt-Land-Dichotomie) als Ausdruck neuer Lebensumstände bzw. –inhalte. Würdet Ihr dem zustimmen?

Stephan: Aus meiner Sicht ging es immer um die Stationen einer Idee vom Leben, natürlich auch des Empfindens dessen, was ich „am Leben sein“ nenne und des ganz persönlichen Scheiterns. Alle Texte sind autobiographisch, unmittelbar erlebt. Allein aus meiner Biographie ergeben sich Abgründe zwischen dem Anspruch an ein rebellisches Leben und der ernüchternen Realität meines Jobs. Ich würde die neue EP als Konzeptscheibe bezeichnen, da es in Hinsicht auf die Texte schon ein Reisebericht ist, in die Stille. ‚Wir sind Sand‘ – die Stadt brennt. ‚Dahin dorthin‘- die Mittel unser Reisen. ‚Der Brief‘ – eine Erinnerung an die einstige Liebe und der Grund, warum ich eigentlich nach Berlin gekommen bin (Original 1997), ‚Still‘ – das Fazit, Bestandsaufnahme, der Grund meiner Abreise, ‚Neue Heimat‘ – der Blick auf das neue Land, die Erwartungen, das Gefühl während der Reise, ‚Es war wahr‘, der absolute Aufschlagspunkt, das Scheitern auf ganzer Linie. Wir können letztendlich dem nur zustimmen, wenn von einer neuen Innerlichkeit gesprochen wird.

Auch der Darstellung des alltäglichen Irrsinns aus der Sicht und mit den Mitteln des vielleicht ebenso „verrückten“ Künstlers getreu des Mottos „Die Welt ist verrückt“ (auch aus dem älteren Song ‚Tom Turm‘) wird generell nach wie vor genügend Platz eingeräumt (quasi als leitmotivischer Überbau)?

Stephan: Das ganze System unserer Gemeinschaft basiert nur auf Angst, fallen Feindbilder weg, werden diese prompt ersetzt und diese werden noch brutaler und vernichtender dargestellt als die, die vorher da waren. Die Möglichkeiten noch verrückter zu werden, waren nie so vielfältig wie heute. Ich bin dankbar dafür. Mach die Tür auf und Geschichten laufen dir quasi in die Arme. Halt sie fest und mach nen Lied draus.



Täuscht der Eindruck oder waren die zurückliegenden Monate und Aufnahmen für die EP ein immenser Kraftakt, an dessen Ende jetzt die die Veröffentlichung inkl. liebevoll-aufwändig gestalteter CD-Aufmachung und das Release-Konzert im NBI stehen. Die weitere Zunkunft der Band scheint indes offen, wie ist der diesbezügliche Stand?

Stephan: Dabei muss ganz klar auch der Entstehungsprozeß der Songs betrachtet werden. So sind mir z.B. ‚Dahin dorthin‘ und ‚Neue Heimat‘ als Proberaummitschnitt zugesandt worden, und ich habe daraufhin zu Hause an den Texten gearbeitet und diese eingebettet. ‚Der Brief‘ und ‚Still‘ sind eigentlich Akustiklieder in 4-Track-Qualität, die von mir zu Hause eingespielt worden und dann von Robert in Heimarbeit in einen Kapellenstatus erhoben worden sind, d.h. er hat gemixt und gesampelt. ‚Es war wahr‘ hat einen starken autobiographischen Bezug auf das Scheitern meiner großen Liebe zu einer Frau.

Wir haben in der Band alle unsere Nebenprojekte laufen und wir haben auch mitbekommen, dass sich alles plötzlich so schnell ändern kann, so dass die Planung einer gemeinsamen Zukunft nie eigentlich da war und wir von Jahreszeit zu Jahreszeit und von Befindlichkeit zu Befindlichkeit entscheiden, wie es weitergeht. Ich mache mich da nicht so fest, und siehe da, lebe ich und schaffe ich entspannter. Auch der Druck ist kein so großer mehr, wie nach Waren des täglichen Bedarfs. Ein Kraftakt ist es immer, wenn Du was zu sagen hast.

Beim Release-Abend im NBI werden die Lautfrosch-Labelkollegen von 2 JAHRE FERIEN mit von der Partie sein, die auch an der Produktion von Still beteiligt waren. Wie kam es eigentlich dazu, Still auf Lautfrosch Records zu veröffentlichen?

Stephan: Es hat sich einfach angeboten, da Olaf von Lautfrosch Records uns die ganzen Aufnahmen über betreut hat und unser alter Labelvertrag bei „Maldoror“ ausgelaufen ist. Ich mag die alte Atze Olaf eben auch sehr gerne und ich fand die Art des Zusammenarbeitens einfach entspannt.

Was können die Besucher vom NBI-Abend erwarten, sind irgendwelche Specials, Überraschungen o.ä. geplant?

Stephan: Kikeriki und neue Songs und alte Männer (wir).

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

Die EP:

SAND.IG
Still
(Lautfrosch Records)
VÖ: 15.04.2011

SAND.IG (EP-Release-Konzert) + www.sand-ig.de
www.myspace.com/survivalkid
www.lautfrosch-records.de

Fotos © Sand.Ig
Autor: [EMAIL=thomas.stern@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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