Lange vorbei sind die Popeskapaden des heute 71-jährigen SCOTT WALKER. Diese liegen zusammen mit den THE WALKER BROTHERS in den 1960er Jahren begraben. Seitdem hat sich Walkers Sound unaufhörlich weiter entwickelt und wurde dunkler und experimenteller. Da verwundert es kaum, dass er neue Weggefährten in der Drone und Doom Metal Band SUNN O))) fand, um seine musikalischen Visionen umsetzen zu können.
Für Sunn O))) gehören Kollaborationsplatten zum guten Ton. Haben sie nicht schon mit BORIS, NURSE WITH WOUND und ULVER hervorragende Alben produziert, und war nicht auch ATTILA CSIHAR, Frontmann von Norwegens zweifelsohne kontroversester Black Metal Band, MAYHEM, Gastsänger auf dem im Jahr 2009 erschienen Meisterwerk Monoliths & Dimensions? An die Größe von Monoliths & Dimensions reicht Soused nicht heran. Das soll jedoch nicht heißen, dass hier nicht auch ein musikalisches Meisterwerk abgeliefert wurde.
‚Maximum volume yields maximum results‘ ist keine billige Plattitüde, sondern durchaus als Gebrauchsanweisung zu verstehen, die sich irgendwo auf allen Sunn O)))-Veröffentlichungen finden lässt, sei es im Booklet oder wie hier auf der Rückseite des Albums. Wer schon einmal auf einem Sunn O)))-Konzert war, weiß, wie das zu verstehen ist. Nur in voller Lautstärke entfaltet sich das gesamte Klangopus dieser Band. Ohropacks sind im Kartenpreis schon inbegriffen und werden am Einlass verteilt. Ohne diese wäre ein Konzertbesuch einer Sunn O)))-Show nahezu unmöglich. Außer man hat Lust, sich für die folgenden Wochen von seinem Gehör zu verabschieden, denn eine Wand aus Verstärken lässt den gesamten Konzertraum zusammen mit Publikum in einer Flut aus Bass vibrieren, als stünde man inmitten des Donners der Apokalypse.
Bleibt zu hoffen, dass Scott O))), wie sich Sunn O))) und Scott Walker scherzhaft selber nennen, bald ihren Weg in Berliner Hallen finden, denn Soused hat alles, was es benötigt, um ein einzigartiges Konzerterlebnis zu kreieren. Drone durchflutet doomige Songs, in denen es brummt und wabert, als gebe es keinen Morgen. Der Opener ‚Brando‘ ist mit seinen 8:45 Minuten dabei der kürzeste der fünf Tracks auf dem Album. Beginnt er mit seinem Keyboardhall schon fast freundlich, setzt nach 40 Sekunden das erste Dröhnen ein. Darüber Walkers nahezu barokesker Popgesang, wäre er nicht so entschleunigt, wie man es wohl von einer Kollaboration mit Sunn O))) erwarten kann. Der Klangteppich des Songs beginnt eine Atmosphäre zu entfalten, die sich konstant über das gesamte Album ziehen wird. Hier und da durchstoßen von heulenden Trompeten oder hallendem Keyboard.
In ‚Herod 2014‘ kommt sogar ein Saxophon zum Tragen, dem Töne rausgequält werden, wie man sie sonst nur im Free Jazz vernehmen kann. Im den alptraumhaften Songtext voller Allegorien ist mit ‚Ho Ho watenay‘ ein traditionelles Wiegenlied der nordamerikanischen Ojibwa Indianer eingebunden, das man, wenn man sich sehr weit aus dem Fenster lehnt, schon fast als Refrain wahrnehmen möchte. In regelmäßigen Abständen zersticht kratziger und dumpf gehaltener Noise den Klangteppich. In ‚Bull‘, dem dritten Song auf Soused, sieht es ähnlich aus. Dieser fast schon energetische Song ist der Höhepunkt des Albums und bricht nach der Hälfte der Spielzeit, um Platz für mehr Drone in Reinform zu schaffen. Auf ‚Fetish‘ geht es dann wieder zuweilen etwas noisiger zu und mit ‚Lullaby‘ denkt man, sich anfangs in einem Ambientsong wiederzufinden, nur um von einem Noise unterlegten Gesang, der hier definitiv als Refrain zu verstehen ist, eines Besseren belehrt zu werden. Ein würdiger Abschluss für eine durchdachte Platte.
Soused ist ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk. Vom Beginn bis zum Ende des Albums spürt man, dass hier Musiker am Werk waren, die wussten was sie taten. Eine Nachfolgekollaboration zwischen Walker und Sunn O))) wird es sicher nicht geben. Aber auf eine Tour kann man bestimmt hoffen. Wäre zu wünschen, dass diese auch in Berlin Halt macht, denn live ist „Soused“ sicher ein Fest.
SCOTT WALKER + SUNN O)))
Soused
(4AD)
VÖ: 21.10.2014