SHE & HIM am 30.04.2010 im Lido


Illusionszerstörende Begegnung mit dem Indie-Darling N° 1.



Es war ein ausverkauftes Konzert und draußen suchten hippe Engländerinnnen noch Karten. Zooey Deschanel und M. Ward hatten sich angekündigt. Gestern waren sie noch in Paris, erst vier Stunden vor Konzertbeginn trafen sie in Berlin ein, weswegen sie auch keine Interviews mehr geben wollten. Ok, akzeptiert. Nur weil man Künstler ist, gehört man nicht der Allgemeinheit.

Dann eben kein Interview. Wir warteten auf den Hauptact und mussten uns in der Zwischenzeit mit der Vorband quälen: THE CHAPIN SISTERS. Zwei Schwestern, wie der Name vermuten lässt, jaulten sich eine halbe Stunde durch ihr Repertoire, das an manchen Stellen eine kleine Ekelgänsehaut ob dieser Mischung aus Joni Mitchell und The Cranberries hinterließ. Nein, diese Mädchen werden sicher keine große Nummer. Nur weil man vor einer guten Band auftritt, macht einen das leider nicht selbst zur guten Band.

Aber wir waren ja wegen dem Indie-Darling schlechthin und ihrem klampfenden Anhängsel da. Die kamen dann auch bald. Und wie sie kamen: SHE & HIM stürmten auf die Bühne, so schnell wie möglich wurde der erste Song angestimmt. Bloß keine Zeit verlieren. Als Backingband hatten sie sich die zwei Chapin-Schwestern im Kelly Family-Gedächtnislook, einen Schlagzeuger, einen Bassisten (die beide nicht weiter auffielen) sowie so eine Art Willie Nelson an der Country-Gitarre eingeladen. ‚I was made for you‘ donnerte durchs Lido, Madame Deschanel schwang den Schellenkranz und alle waren zufrieden.

Nur Madame Deschanel nicht. Bereits nach dem ersten Lied wetterte sie los, was denn bitte diese Fotografiererei mit dem Blitzlicht solle. Das Symbol für das Blitzlicht sei übrigens der kleine Blitz auf dem Display und der müsse jetzt aber gefälligst mal durchgestrichen sein. Dann waren diese ganzen Zettel, die überall im Lido verteilt hingen, tatsächlich ernst gemeint (siehe Bild). Genug der freundlichen Worte, weiter im Programm, Hit auf Hit, ganz nett alles. Das erste und das zweite Album waren in der Playlist vertreten. Das Problem mit den Fotos sollte aber nicht so schnell fallengelassen werden. Immer wieder wurde die Aufforderung nach fotofreier Atmosphäre (irgendwann war es auch egal, ob mit oder ohne Blitzlicht) bekundet. Da hatte wohl jemand Issues, wie der Amerikaner sagen würde. Auch sonst schien SHE den Abend nicht so zu genießen. Jedes Lächeln glich eher einem Zähnefletschen, das hatte man schon mal im Fernsehen gesehen. Bei MTV, wenn die coolen Mädchen in der High School gefragt werden, was sie vom dicken, hässlichen Mädchen halten. Dann tun die coolen Mädchen auch immer so, als seien sie wohlwollend. Und dabei sieht Zooey Deschanel doch so süß aus.



Ansonsten ließ die Band nur sehr wenig von sich hören. Gestern wären sie in Paris gewesen. Aha. Morgen ginge es weiter nach Kopenhage. Interessant. Und was ist das hier eigentlich für ein Wasser, ist das deutsches Wasser? Ach, wirklich? Nein, man kann nicht sagen, dass es ein schlechtes Konzert war, technisch gesehen befinden sich SHE & HIM auf einen äußerst hohen Niveau. Zooey kann wirklich singen und M.Ward kann wirklich Gitarre spielen.

Dennoch war es der herzloseste Mist, den ich seit langem gesehen habe. Bei einigen Songs wurde das Tempo gegenüber der Albumversion deutlich angehoben, auch verschwand die Band nach dem letzten Ton so schnell wie möglich von der Bühne. Fanliebe und Lust an der Sache sieht anders aus. Immerhin, es gab eine Zugabe (ein ganzes Lied), danach aber wieder der blitz(-licht, haha)schnelle Rückzug hinter die Bühne. Auch der Fakt, dass drei Lieder komplett aus der angedachten Setlist (siehe unten) geschmissen wurden, bringt keine Sympathien.

Da bleibt nur ein Gesprächsfetzen, der nach dem Konzert aufzuschnappen war:
„Aber gegen Ende hat sie (Zooey Deschanel) schon ab und zu gelächelt. Manchmal sah es aus, als hätte sie wirklich Spaß.“ „Hitler hat auch mal gelächelt.“

(angedachte) Setlist:

1. Made For You
2. Thieves
3. Black Hole
4. Me and You
5. Lingering Still
6. Over it Over Again
7. Home
8. Change is Hard
9. Thought I Saw Your Face
10. Brand New Shoes
11. You Really Got A Hold On Me (Nicht gespielt)
12. Take it Back
13. Gonna Get Along Without You Now
14. Sentimental Heart
15. Sing
16. Don’t Look Back
17. NRBQ
18. Test
19. Why Do You Let Me Stay Here
20. In the Sun
21. Sweet Darlin‘

Zugabe:
Magic Trick
Fools Rush In (Nicht gespielt)
Roll Over Beethoven (Nicht gespielt)

www.sheandhim.com
www.myspace.com/sheandhim

Autor: [EMAIL=melanie.gollin@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Melanie Gollin[/EMAIL]

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