Stephen Sanchez – Angel Face

Tiktok ist zum Einen eine schreckliche Propaganda- und Werbemaschinerie. Zum anderen kann Tiktok auch als Sprungbrett junger Künstler gesehen werden, denen es mit einem einzigen Videoclip gelingen kann, plötzlich viral zu gehen, so geschehen auch bei STEPHEN SANCHEZ. Der Singer/Songwriter aus Nashville konnte sich mit 17 Jahren durch den Song „Lady By The Sea“ einen Plattendeal sichern. Und nun ermöglicht ihm der Song „Until I Found You“ nach zwei EPs nicht nur ein Duett mit Sir ELTON JOHN höchstpersönlich sondern auch ein erfolgreiches Debütalbum. Statt seinem Gitarrenpop treu zu bleiben, ist er dem Songinteresse nun derart gefolgt, ein Konzeptalbum Kuschel-Rock’n’Roll herauszugeben.

Was hier geboten wird, ist die hohe Schnulze nach den Mustern der 50er/60er Jahre. In „Evangeline“ sampled er sogar „Honey“ von BOBBY GOLDSBORO. Sanchez croont sich durch die Lovesongs, dass einem die Tränen kommen – oder das Gähnen, ist etwa der Piano-Opener „Something About Her“ ein unendliches melodiearmes Schluchzen in Vibrato. Die Zusammenarbeit mit Kollege IAN FITCHUK hat hier nichts genützt. Das jubilierende „Only Girl“ klingt dann wie aus der Feder von BØRNS. Und auch „Be More“ funktioniert als 50s-Pop besser. Vorbilder sind hörbar THE EVERLY BROTHERS oder auch Sänger wie RAY PETERSON.

Dann kommt schon der Hit. Nun lässt sich darüber streiten, ob es klug war, das Album darum herum zu konstruieren. „Until I Found You“ ist großartig geworden, fürwahr. Doch steht das Stück damit sehr für sich allein da. Im Video wird es als Duett von Sanchez mit EM BEIHOLD vorgetragen, die in ELVIS– und Marilyn Monroe-Kostümen nur Klischees bemühen. Das Lied hatte Sanchez für eine Ex geschrieben und damals auch zusammen mit ihr gesungen, was im Nachhinein sicher bitter ist.

„Shake“ ist der einzige Rockabilly auf dem Album. Positiv fällt auch das Singer/Songwriter-Duett „No One Knows“ mit LAUFEY auf. Zum Schluss wird’s mit „Send My Heart“ ganz klassisch: „If ever I need to, I can feel your love when I cannot be with you.“ Hach! Ganz ähnlich klang das auch bei den Everly Brothers: „Whenever I want you, all I have to do is dream.“ („All I Have to Do Is Dream“).

Insgesamt kann die Platte jedoch keine Innovationen bieten. Zumindest erinnert der gute Stephen seine Generation Z daran, dass Rock und seine Traditionen mal den jungen Leuten gehörte.

 

Stephen Sanchez
Angel Face
(Mercury Records/Republic)
VÖ: 22.09.2023

www.stephensanchezofficial.com

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