Schwanenseer.
© Jennifer Church
Zum allgemeinen Werkverständnis um Michael Gira & Co. lohnt sich ein feiner Blick in die Vergangenheit: Seit Annullierung der Band im Jahre 1997, für SWANS rückblickend betrachtet lediglich eine Ruhephase, widmet sich Gira u.a. Projekten wie Angels of Light und Body Lovers, veröffentlicht Solo-Alben und diverse Künstler wie beispielsweise Devendra Banhart über das von ihm gegründete Label Young God Records – bis er SWANS schließlich mit dem Album „My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky“ (2010) wiederauferstehen lässt, um 2012 mit „The Seer“ endgültig die zweite Swans’sche Moderne einzuläuten, fortklingend auf dem diesjährig erschienenen Langspieler „To Be Kind“.
Seit der Bandgründung 1982 verkörpern SWANS Individualität und Kompromisslosigkeit, die in der Musiklandschaft ein Alleinstellungsmerkmal besitzt. Bezeichnend für beide Schaffensphasen – heute wie damals – ist die vollkommene Ablehnung jeglicher instrumentellen Vernunft; und das machen SWANS gegenwärtig radikaler denn je. Musikalisch zwischen Anmut und Abscheulichkeit mäandrierend, textlich von Menschlichkeit und Brutalität zeugend, wesentlich eine Ansammlung von Zuständen vertonend, prasseln atonal orchestrierte Klangschauer nieder auf betörend brachiale Gitarrenwände, wobei der von Schatten umwölkte Abgrund ins rechte musikalische Licht gerückt wird.
Die Mittel und Wege dorthin sind unbegrenzt, allein niemals willkürlich gewählt. Als Maxime gilt die Unterwerfung an das Moment, an dessen Herausarbeitung die Band von Anbeginn arbeitet. Indem Gira & Co. auf Statik verzichten, sich stattdessen dem Augenblick widmen, geben SWANS ihrer Musik live den nötigen Frei- und Spielraum, um über sich selbst hinauswachsen, sich erheben zu können. In ihrem Rahmen ausufernd, werden kompositorische Elemente zusammengetragen bis hin zum Moment innerer Entladung: Ziel ist die Erschaffung eines Absoluten, dessen sich das Kollektiv intuitiv annähert.
Nicht selten brechen Konzerte die Drei-Stunden-Marke, was der Konzentration auf wie vor der Bühne Hingabe abverlangt. Während Albumstücke ein neues musikalisches Gewand, ihre temporäre Formvollendung erhalten, wird zeitgleich dialektischermaßen an neuem Material gefeilt. Es wird direkt teilgenommen am Schaffensprozess, einem sich stetig entwickelnden Organismus, der, sich jeglicher Kategorisierung entziehend, die konventionellen Seh- & Hörgewohnheiten gemeiner Bands und der Konsummaschinerie ad absurdum führt.
Dem bereits ausverkauften Konzert am 21. Oktober 2014 im Berghain folgte unlängst ein Zusatztermin für den darauffolgenden Abend (Mittwoch, 22. Oktober 2014, ebenda).
SWANS
Support: PHARMAKON
22.10.2014
Berghain
21 Uhr
www.swans.pair.com
www.berghain.de
Autoren: Veronique Homann & Dennis Melster