THE B-52s (+ WARREN SUICIDE) am 14.07. 2008 in der Zitadelle Spandau


Stell dir vor, Kate Pierson wär‘ deine Oma…



Peaches im lilafarbenen Overall, den Reißverschluss bis zum Bauchnabel geöffnet, darunter keinen BH. Eine Frau, die aussieht, wie Amy Winehouse in zwanzig Jahren (sollte sie denn so alt werden). Eine aufgetürmte Bienenstockfrisur, ein gelber Lackmini, ein Leopardenoverall hier und da. Und Männer in weißen Siebziger-Anzügen, zu denen sie pinkfarbene Hemden tragen.

Kein Zweifel, wir befinden uns auf dem Konzert einer Band, die seit über dreißig Jahren Leute zu lustigen kleinen Tanzbewegungen, zu stimmüberschlagenden Kapriolen und bunten Gedanken anstiftet. The B-52s, die seit der neuen Platte ohne Angabe von Gründen ohne Apostroph daher kommen (Satzzeichen sind wohl einfach nicht mehr gefragt, siehe Panic At The Disco), geben sich anlässlich ihrer ersten Platte seit 16 Jahren wieder die Ehre, die Hauptstadt, noch dazu die immer mit etwas Volksfeststimmung aufwartende Zitadelle Spandau zu bespielen.

Doch zuerst kam die Vorband. WARREN SUICIDE würde ein Engländer wahrscheinlich mit ‚weird‘ beschreiben. Die Berliner hüpften zeitweilig in komischen Kostümen und mit Pappmachée-Pferd über die Bühne, während sie mit Hilfe von Synthesizern fiepten, wie ein Gameboy, schrieen, schredderten oder ihren eigenen Namen sangen. Das Gefühl beim Zuhörer wechselte immer zwischen „Passt als Vorband eigentlich ganz gut“ zu „Jetzt reicht’s aber auch mal“. Der Mix aus Neue Deutsche Welle und Rock-Alternative mit dem zur Zeit angesagten elektronischen Einschlag schleicht sich dann aber doch ein wenig in die schnell mitwippenden Zehenspitzen.

Nachdem das Pferd von der Bühne gerollt war, dauerte es auch tatsächlich nur zwanzig Minuten, bis die Pausenmusik abgestellt wurde und die Begleitband des erwarteten Hauptacts ganz unverhofft und ohne viel Brimborium auf die Bühne schlenderte. Keine Minute später folgten Cindy Wilson, Kate Pierson, Fred Schneider und Keith Strickland, und stiegen sofort in ‚Pump‘, den Opener des neuen Albums Funplex ein. Kate Pierson tanzte mit dem ersten Takt in ihrem unglaublich kurzen Minirock, zu dem sie eine enge grüne Corsage trägt, auch Cindy Wilson singt im kurzen schwarzen Kleid. Schnell wird klar, dass The B-52s selbst mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren in ihrer Aufmachung keinesfalls peinlich oder überholt wirken, denn es sieht einfach nur nach jeder Menge Spaß und Freude an der Sache aus, die das Publikum aufnimmt und reflektiert. Um mich herum nur lächelnde Gesichter aller Altersgruppen.

Zwischen die Songs des neuen Album streut die Band alte Hits, wie ‚Private Idaho‘ oder ‚Strobe Light‘ (der mit lustiger Vogelpfeife untermalt und anfangs mit übersetzten deutschen Textzeilen angestimmt wird), die mehr Anklang finden, was aber wohl in der Natur der Sache liegt. Dennoch, auch bei neuen Stücken wie ‚Juliet Of The Spirits‘ ist die Begeisterung groß und hinter mir erzählt eine aufgeregte Frau: „Das ist die neue Single, echt gut, wie die alten Sachen.“, schon war sie eifrig am mitsingen. Zwischendurch stellt Fred Schneider noch einmal schnell mit dem Satz: „We have some fabulous people in here tonight, namely: Us.“ seine Mitmusiker vor oder erklärt, was ein G-Punkt ist. Das Konzert gipfelte im wahrscheinlich größten Hit ‚Love Shack‘; neben mir flippt ein Mittvierziger-Ehepaar endgültig aus.

Danach sollte erst einmal Schluss sein, eine Zugabe ließen sich The B-52s dann aber doch nicht nehmen. Endlich kam auch der ersehnte ‚Rock Lobster‘ vorbei geschwommen und da waren sie: der Jelly Fish, der Stingray und der Bikini Whale mitsamt all ihrer absurden Geräusche. Grandios. Jetzt waren wir auch bereit, die Band wieder ziehen zu lassen, die Lichter gingen an und es ertönte Musik aus der Konserve. Ein hartnäckiger Kern an Fans blieb trotzdem vor der Bühne stehen, weitere Zugaben fordernd. Und was soll man sagen: Tatsächlich durften wir eine weitere spontane Zugabe erleben. Den Beweis für die Spontaneität kann man jetzt übrigens bei eBay in Form einer Setlist ersteigern, die nur ein Set bis ‚Rock Lobster‘ vorgesehen hat.

Man kann sagen, das Comeback der B-52s gehört zu den gelungenen – ein tolles Album, ein großartiges Konzert. Fred Schneider tanzte wie ein Ägypter auf Hibiskusblütenteeentzug, probiert sich in Deutsch und wirkte etwas, wie der nette Onkel, von dem man keine Süßigkeiten annehmen sollte, es aber doch tut, weil man nicht widerstehen kann. Cindy Wilson trommelte auf ihren Bongos und machte mit ihrem Tanzstil die ein oder andere Indieschnitte neidisch. Keith Strickland sagte zwar den ganzen Abend kein Wort, lieferte aber mit Quetin Tarantino’scher Souveränität die Riffs, die wir hören wollten und Kate Pierson schoss mit ihren Jauchzern ohnehin den Vogel ab. Das mit 60 Jahren.

Stell dir vor, Kate Pierson wär‘ deine Oma – was wär‘ ich stolz!

Setlist:

‚Pump‘
‚Mesopotamia‘
‚Ultraviolet‘
‚Give Me Back My Man‘
‚Private Idaho‘
‚Keep This Party Going‘
‚Juilet Of The Spirits‘
‚Roam‘
‚Party Out Of Bounds‘
‚Funplex‘
‚Hot Corner‘
‚Love In The Year 3000‘
‚Strobe Light‘
‚Love Shack‘

Zugabe:
‚Planet Claire‘
‚Rock Lobster‘

www.theb52s.com
www.myspace.com/theb52s
www.warrensuicide.com
www.myspace.com/warrensuicide

Foto: © B-52s
Autor: [EMAIL=melanie.gollin@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Melanie Gollin[/EMAIL]

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail