Die HIVES machten so viel Spaß, dass selbst die Security-Leute lächeln mussten. Und hey – die lächeln N-I-E !!!
„Draußen weht ein scharfer Ostwind und es sind höchstens 5°! Willst du etwa in dem Fummel gehen? Du wirst Dir noch den Tod holen, Kind!“ (Fummel = weißer Rock, dünn; schwarzes Lederjäckchen, dünn; schwarze Stiefel, okay; Strumpfhosen, SEHR dünn)
„Ja abba Mama, ich geh doch heute Abend noch aufs HIVES Konzert! Da MUSS man schwarz/weiß angezogen sein, sonst fliegt man von der Gästeliste und kommt gar nicht erst rein und meine weiße Jeans ist in der Wäsche und meine weißen Pullis auch, sonst könnte ich ja meine schwarze Hose mit nem weißen Oberteil anziehen aber das geht ja dann auch nicht und ich muss WIRKLICH UNBEDINGT etwas schwarz/weißes anziehen!!!“
„Ach mach doch wasde willst, wirst schon sehen, wasde davon hast.“
Wenn man Mitte dreißig ist und dieser Dialog nie stattgefunden hat, man aber schon während der Zusammenstellung der Garderobe denkt „Au weia, wenn das mal gut geht…“, trifft einen die bittere Erkenntnis wie ein Schlag auf die zugeeiterten Stirnhöhlen, dass sie ja doch immer irgendwie Recht hatten, die Eltern.
*bibber*
Dennoch – auch wenn ich eitel schniefend mit der Welt zugrunde gehe – ich war trotzdem froh, auf den imaginären Dresscode geachtet zu haben, als ich mich in der Pause nach der gerne zu vernachlässigenden Vorband, die einen auf FRANZ FERDINAND machte, umdrehte, und die Herren Teutoburg-Weiss und Baumann von den Beatsteaks direkt hinter mir standen. Arnim werde ich ja bekanntlich irgendwann auch noch heiraten, er weiß es halt nur noch nicht, aber er reiht sich hervorragend und nahtlos ein in meine ‚Liste der zu heiratenden charismatischen Sänger‘ zwischen Danko Jones, Mick Collins, Bruce Springsteen, King Khan, Robbie Williams und Tim Vanhamel. Um nur einige zu nennen.
Die Liste wurde an diesem Abend natürlich getoppt von Pelle Almqvist. Ich lerne schon mal schwedisch.
*schneuz*
Pelle Almqvist ist ein geborener Rock’n’Roll Entertainer und wenn ich recht darüber nachdenke, die Garage-Version von Robbie Williams und Bruce Springsteen, was das zwischen-den-Songs-babbeln betrifft. Wie Robbie wirft er gerne ein ‚ass‘ und ‚fuck‘ ein und wie der Boss verfällt er dabei in eine Art Prediger-Melodie.
Gleich zu Beginn machte er klar: wenn wir nicht spielen, müsst ihr Lärm machen!
„So Berlin, do you still not go to work?“ „NO!“ „So are you a bunch of lazy assholes, Berlin?“ „YES!“
Immerhin, der riesen-bunch of assholes war gar nicht lazy, wenn es ums Tanzen ging – der Kreis der Pogenden reichte weit nach hinten, was ich von meinem Standort für Liliputaner (Empore) gut sehen konnte. („So Berlin – I see, you’ve built balconies so that even more people can come to see us!“)
Die Band spielte sich übermütig durch ihre Alben, die ja ohnehin schon ass-kicking Rock’n’Roll pur sind. Live aber preschen die Songs noch mehr nach vorne und explodieren geradezu – Drummer Chris Dangerous spielt wie eine Maschine und überhaupt ist die Band absolut tight – eingespielte Profis durch und durch. Nicht nur das Bühnenset mit 5 Mannen in Uniform und lasziv-rotem Leuchtlogo deutet auf eine Hochglanz-Band hin (Nora Tschirner wird nach dem Konzert in ein Fritz-Mikro quäken: „…und wenn da so ein tolles Bühnenbild ist, das spricht mich voll an…“). Alles ist so clean, so vollendet, so professionell. 1,2,3 – Show! Eine gute Stunde die 2-Minuten-Songs aus dem Hals gerotzt und Tschüss.
Und damit kommen wir zu meinem unbestimmten Bauchgefühl. Wie so oft bei zu perfekten Bands winde ich mich mental unwohl hin und her und ziehe dabei die Schultern in Abwehrhaltung hoch – wie ein kleines Kind, das nicht von der Oma geküsst werden will. Weiß auch nicht, warum ich so ein Problem mit Perfektionismus habe, weil Dilettantismus hasse ich noch viel mehr. Vielleicht hab ich Angst, weil der Erfolg viele Bands langweilig werden lässt. Da ist man plötzlich everybodies darling und fängt an, im Showbiz rumzuvögeln und am Ende remixen die Neptunes ‚Main Offender‘ oder man ist mit Schnarchnase René-Augenlähmung-Zellweger oder Jana Pallaske (die natürlich auch anwesend war) zusammen oder weiß der Teufel was.
*hust*
Aber genug der Horrorvisionen – vielleicht ist es auch nur der Fieberwahn, der mich zwickt. Die HIVES sind die Wegbereiter des Garagen-Booms, auch weil sie spielerisch die Besten sind, sie sind seit 1993 in der gleichen Besetzung zusammen und eigentlich sollte man dieser Band den größtmöglichen Erfolg wünschen. Basta. Und die werden ganz bestimmt dabei nicht blöd, da werde ich als Ehefrau von Pelle Almqvist schon drauf achten. Und wenn doch, kann man immer noch sagen: ‚Hate to say I told you so‘.
Tja… ich geh mir dann mal Sinupret besorgen…