Der wohl erste Soundtrack zu einem Buch zählt zu den gelungensten Veröffentlichungen des Jahres.
STEPHEN COATES (aka THE CLERKENWELL KID) ist der Mann, der sich hinter (THE REAL) TUESDAY WELD verbirgt. Benannt hat er sich nach einer amerikanischen Schauspielerin aus den 30er Jahren. Sein zweites Album I, LUCIFER kann man als Soundtrack zu einem Buch, und zwar der gleichnamigen Novelle des Schriftstellers GLEN DUNCAN, verstehen. Zwar ist dies nicht das erste nach einem Buch benannte Album der Musikgeschichte, aber so konsequent wie (TR)TW war bisher noch Niemand. So sind die Songs im Booklet, dem auch Ausschnitte aus der Novelle beiliegen, in drei Akte gegliedert. Die auf dem Album Mitwirkenden werden nicht etwa mit ihrer musikalischen Rolle, sondern als Figuren aus der Handlung des Buches vorgestellt. Album und Novelle handeln vom Teufel, den menschlichen Begierden, Leiden und Abgründen – vom allzu Menschlichen also.
Musikalisch werden die beinahe geflüsterten Texte von einer Mischung aus Swing, Jazz, Chanson und Bossa Nova, sowie einigen elektronischen Spielereien unterstützt. Auch ein Sampler wird zur Reanimation einiger 78-Umdrehungen-Platten eingesetzt. Der abenteuerliche Mix aus 70 Jahren Musikgeschichte macht das Ganze aber keinesfalls kitschig, vielmehr entsteht eine intime Musik mit sehr angenehm nostalgischem Charme, was wohl an der Tatsache liegt, dass keiner der Einflüsse in den Vordergrund tritt. In diesen drängt sich einzig und allein die Schönheit der Musik.
Die Inszenierung beginnt, nach einem kurzen Monolog des Sprechers, mit dem munter verspielten ‚Bathtime in Clerkenwell‘, dem schnellsten und fröhlichsten Stück auf I, Lucifer. Als Bonus ist auch das preisgekrönte, schwarz-weiß animierte Video zum Song auf der CD enthalten.
Als nächstes wird der Zuhörer mit ‚The Ugly And The Beautiful‘ in einen melancholischeren Zustand versetzt. Beim nun folgenden ‚(Still) Terminally Ambivalent Over You‘ wird das Tempo wieder etwas angezogen, schließlich nähert man sich dem zweiten Akt.
Dieser wird instrumental von ‚Coming Back Down To Earth‘ eingeleitet. Applaus des Publikums, das Piano setzt wieder ein, kurzer Auftritt eines Blasinstruments, Einsatz des intimen und verträumten Gesanges von STEVEN COATES, erneuter Auftritt des Bläsers, Gastauftritt von PAMELA BERRY, Duett, Outro und Applaus – sie hörten: ‚One More Chance‘. Grandios.
Die das gesamte Album durchziehende Melancholie wird beim nun folgenden ‚The Eternal Seduction Of Eve‘ noch intensiviert. Der zweite Akt wird mit ‚Le Bête et La Belle‘, gesungen von MARTYN JACQUES, beendet. Zwar gab es Thema, Text und Notation bereits im ersten Akt, aber in der Sprache der Liebe kommt auch diese Wiederholung großartig daher.
‚The Life And Times Of The Clerkenwell Kid‘ eröffnet mit schlitzohrigem Tonfall im Gesang und deutlich mehr elektronischen Einflüssen den dritten Akt. Der Klang einer Spieluhr zieht sich durch das nun folgende ‚The Show Must Go On‘. Das Instrumentalstück ‚Heaven Can’t Wait‘ leitet den Abspann ein und ‚Someday‘ verabschiedet den Zuhörer schließlich auch textlich in die Nacht.
Übrig bleibt das Gefühl, etwas Großem beigewohnt zu haben. I, Lucifer ist ein wunderschönes Album, ein phänomenaler Soundtrack – kurz: ganz großes Kino.
Den Namen (THE REAL) TUESDAY WELD wird man, auch wenn man ihn bisher noch nicht kannte, so schnell nicht mehr vergessen.
(THE REAL) TUESDAY WELD
I, Lucifer
(Dreamy / PIAS)
veröffentlicht