Ganz ohne Drama geht es nicht. Auch auf ihrem dritten Album Synthia bleiben THE JEZABELS ihren opulenten Songstrukturen treu. Und doch klingt alles ein bisschen anders: Wo der Vorgänger The Brink noch mit Tanzbarkeit lockte, dominieren nun schwere Soundwände und hallige Synths die Songs. Das erinnert stellenweise an die COCTEAU TWINS und siedelt die vier Australier irgendwo zwischen Rock und Ethereal an. Mit Popmonitor sprach Sängerin HAYLEY MARY über neue Inspirationen, politische wie feministische Motive und ihre Faszination für die Underdogs der Geschichte…
Mit Synthia schlagt ihr neue Töne an. Woher kommt der Wandel?
Wir haben die Songs dieses Mal ohne präzises Ziel in alle Richtungen ausbrechen lassen. Die meisten sind beim Jammen entstanden. Heather hatte neue Synthesizer und hat damit herumexperimentiert, deshalb fangen alle mit einer Synth-Line an, ehe ein Beat hinzu kommt. Das lässt die Songs so anders klingen. Im Studio haben wir dann viel mit Layern gearbeitet, um Wall-Of-Sound-Effekte herzustellen.
Zu „Come Alive” gibt es ein aufwändig produziertes Video. Zahlreiche Öl-Gemälde ergeben aneinandergereiht eine ganze Geschichte. Wie ist das entstanden?
Die Öl-Gemälde wurden auf Glas gemalt. Absolut beeindruckend, allerdings verstehe ich den technischen Prozess dahinter auch nicht komplett. Wir fanden die Idee gut und haben uns bewusst dafür entschieden. Wir hatten dieses Mal mehr Kontrolle, da wir uns zuvor nicht immer gut repräsentiert gefühlt haben.
Was hat es mit der Story rund um eine Hexenverbrennung auf sich?
Die Geschichte der Hexenverbrennung war von Anfang an ein zentraler Impuls für die Band. Jezabel ist eine als Hexe titulierte, gefallene Frau aus der biblischen Ära. Wir haben den französischen Film Jeanne d’Arc von 1927 einmal während einer Live-Show abgespielt – besser gesagt die Szene, in der sie verbrannt wird. Diese Bilder haben uns gefangengenommen. Daraus ist die Idee entstanden, sie im Video zu „Come Alive“ wieder auferstehen zu lassen.
Sind religiöse Motive generell von größerer Bedeutung für euch?
Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich finde Monotheismus repressiv. Für uns als Band hatte die Verwendung dieser Motive schon immer etwas Politisches. Einen Gott über die ganze Welt zu erheben ist vielleicht keine gute Idee. Außerdem wollen wir ein neues Bild von Jezabel einfordern, die unter Patriarchen als Hure angesehen wurde. Vielleicht war sie auch eine Frau, die nicht nur an eine Wahrheit geglaubt hat? Irgendwie habe ich das Verlangen, die Underdogs der Geschichte zu verteidigen. Das zieht sich durch das ganze Album.
Welche Feminismus-Auffassung steckt dahinter?
Die weibliche Konstitution ist viel komplizierter und vielschichtiger, als viele denken. Das muss man begreifbar machen. Man kann Frauen nicht auf einige wenige Aspekte reduzieren. Gegen Ende meines Studiums habe ich ein wenig Gender Studies studiert – daher mein Interesse für diese Thematik.
Du fragst auf dem Album What’s a girl to do, standing in the spotlight? Was wird denn deiner Meinung nach von Frauen im Rampenlicht erwartet?
Die meisten finde, dass es für den Feminismus noch einiges zu tun gibt. Ich denke, Feminismus ist inzwischen zum Modewort geworden. Wenn im Westen darüber gesprochen wird, hat man das Gefühl, die Diskussion ist in die Jahre gekommen. Frauen sind an einem Punkt angekommen, an dem sie Stärke beweisen können. Die Frage ist nur, wie man mit der Macht umgeht. Wir haben Rechte, Plattformen und Autorität im Job. Was fehlt, ist Selbstvertrauen. Es lastet ein großer Druck auf Frauen, den sonst nur Männer kannten. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.
Wofür steht der Album-Titel?
Unser Produzent meinte: „Es sind so viele Synths auf dem Album! wir sollten es Synthia nennen!“. Ich habe dann sofort an die Mondkönigin Cynthia gedacht und an Cynthia Plaster Caster – ein Groupie, das mit Rockstars der 60er geschlafen und Statuen von ihren Penisen gemacht hat. Irgendwann hatte sie selbst Rockstar-Status. Manager auf der ganze Welt wollten, dass sie von Bands Statuen macht. Mir gefiel diese Machtverschiebung. Und dann wollte ich noch John Lennons erste Frau Cynthia Lennon das Album widmen, denn vor Yoko Ono war Lennon alles andere als ein netter Typ. Und natürlich Cyndi Lauper! Sie ist einer meiner liebsten Pop-Diven.
Kann das Album als Frau angesehen werden?
Ja, gegen Ende der Aufnahmen haben wir das Album tatsächlich als eine Person wahrgenommen. Ich meinte dann: Wenn ihr es als Frau sehen wollt, brauchen wir noch Songs darauf, die ihren Charakter vielseitiger machen. Insofern kann man das so sehen.
Welcher Songs bedeutet dir am meisten?
Zum jetzigen Zeitpunkt mag ich „Pleasure Dive” am liebsten. Der Song steht für eine gute Zeit und verdeutlicht, dass man jeden Moment leben sollte. Man muss wissen: Ich habe das Album nach einer langen Phase der Depression geschrieben. Plötzlich haben die Welt und das Leben wieder inspirierend auf mich gewirkt.
THE JEZABELS
Synthia
(MGM / Caroline)
VÖ: 12.02.2016