THE TALLEST MAN ON EARTH am 11.08.2010 im Glashaus (Arena)


Das war groß.



Foto: Johan Stolpe

Herzig. Man kann’s nicht anders sagen, herzig ist das Wort des abends. Klar lässt sich einiges anderes, weitaus Gehaltvolleres, über Krisitan Matsson, besser bekannt als THE TALLEST MAN ON EARTH, und seinen Auftritt im Glashaus sagen. Das soll an dieser Stelle auch getan werden, und am besten fangen wir mal mit den harten Fakten an:

173 (cm). Das ist die absolute Obergrenze, mit der ich Herrn Matssons Körpergröße schätzen würde.
40 (Grad Celsius). Das ist die gefühlte Temperatur im ausverkauften Glashaus.
4 (Stück). Anzahl der Gitarren, die THE TALLEST MAN ON EARTH benutzt.
15 (Minuten). Zeit der Verspätung bis Konzertbeginn.
80 (Minuten). Dauer des Konzerts inklusive Zugaben.
2 (Stück). Anzahl der Zugaben.
1 (Personen). Anzahl der anwesenden Zwischenrufer mit unqualifizierten Kommentaren.

Und jetzt noch mal für alle diejenigen unter uns, die eher mit der rechten Gehirnhälfte denken:

Ausverkauft. Das Glashaus ausverkauft! Und das bei einem Sänger, den bislang eigentlich niemand so recht kannte. Seit er mit seinem Debütalbum Shallow Grave von 2008 erstmals auf sich aufmerksam machte, hat sich THE TALLEST MAN ON EARTH eine fast schon sektenähnlich geprägte Anhängerschaft erspielt, doch dass die Hypemaschine so weit greift, dass Konzertkarten binnen kürzester Zeit begehrte Mangelware sind, das hätten sich wohl selbst die Veranstalter nicht träumen lassen. Kristian Matsson ist etwas besonderes innerhalb der breitgefächerten Folkgemeinde, und das liegt nur oberflächlich betrachtet daran, dass er aus Schweden kommt und, auch wenn man es so langsam nicht mehr hören kann, wie der junge Bob Dylan klingt. THE TALLEST MAN ON EARTH ist ein auf denkbar angenehmste Weise Wahnsinniger, und seine Musik profitiert von seinem fast schon manisch-depressiven Wesen.

Das Set denkbar simpel, die Bühenshow: nicht vorhanden. Matsson steht da, vor schwarzem Hintergrund, ein Stuhl, ein Mikro und die Gitarre. Mehr braucht er nicht, um nur mit einem einzigen Laut eine ganze Halle in seinen Bann zu ziehen. Was zunächst arrogant wirken mag – keine Begrüßung, kein Augenkontakt zum Publikum – erklärt sich im Verlauf des Abends. Der Künstler ist introvertiert, taut aber von Lied zu Lied immer weiter auf und braucht die Rückmeldung vom Publikum, um aus sich herauszukommen. Dass da leider am Anfang ein Selbstdarsteller mit dem unbedachten Satz „Turn your voice down“ auf sich aufmerksam machen wollte, machte dem, den eine genau gegensätzliche Persönlichkeit auszeichnet, zumindest ein paar Lieder lang zu schaffen – bevor er sich fing und von nun an ironisch und selbstironische Ansagen von sich gibt. Das Phänomen THE TALLEST MAN ist schwer mit Worten zu erklären. Seine Lieder sind abartig schön, aber das sind viele andere auch. Die Besonderheit liegt in der Darbietung: schnörkellos, ohne Trara oder große Stories: Ich singe meine Songs und sage damit alles, was ihr von mir wissen wollen könntet. Das ist zumeist schwer melancholisch und Songs wie ‚Where do my bluebirds fly‘ ziehen einen sofort mit in diesen Sog der Wehmut. Wenn es fast nicht mehr auszuhalten ist, verspricht Matsson einen „song of hope“ und mit der ersten Zugabe ‚King of Spain‘, dem Hit aus dem aktuellen Album The Wild Hunt, zeigt der große, kleine Mann, dass er ach so fröhlich und ausgelassen sein kann!

Kristian Matsson verabschiedet sich mit einem Strahlen und Handküssen. Männer- und Frauenherzen seufzen gleichermaßen schwer verliebt. „Ob wir ihn noch ins Berghain einladen sollen?“, fragt ein Konzertbesucher mit glänzenden Augen seinen Freund. Das ist nur zu gut zu verstehen, denn im Laufe des Konzerts wurde man immer wärmer und vertrauter mit dem Künstler, dass es nun extrem schwer fällt, ihn einfach so gehen zu lassen. So nah wie jetzt, wo man seine Schweißtropfen abbekommt und einen guten Blick auf sein hübsches (Dalarna?-)Pferdetattoo auf seinem Unterarm hat, wird man ihm vielleicht bald nicht mehr sein können, denn dieser Mann ist zu Großem bestimmt. Was dann ja doch wieder irgendwie den absurden Künstlernamen rechtfertigt.

Ach ja, eine Zahl fehlt noch in der Statistik. Wofür die steht, möchte sich die geneigte Leserschaft bitte selbst zurechtschustern:

100 (Prozent). (und noch ein bisschen mehr).

http://www.myspace.com/thetallestmanonearth

Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]

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