Authentisches Heavy Listening-Ungeheuer zum Ohrenflattern.
Gecastet sind diese Jungs offensichtlich nicht. Jedenfalls will sich der tiefere Sinn einer Marketing-Strategie nicht ganz erschließen, die um den Namen UNGDOMSKULEN herum aufgebaut ist – was im Übrigen soviel bedeutet wie „Mittelstufe“ in der Schule. Dass das Debutalbum Cry-Baby trotz des Zungenbrecherbandnamens nun in Europa, Kanada und den USA veröffentlicht wird, scheint umso mehr für die musikalische Qualität des norwegischen Trios zu sprechen.
In der Tat zeigen die Mittelstufler von Beginn an und mit einer Rasanz, die einem die Ohren flattern lässt, dass sie ihre Instrumente im Griff haben. Sänger Kristian Stockhaus spielt die ganze Spannbreite seiner gewandten Stimme aus, die ihn von tiefen, nölenden Tönen leider auch von Zeit zu Zeit ins etwas nervige 80er-Jahre-Glamrock-Falsett à la Darkness-Sänger Justin Hawkins treibt. Sein Gitarrenspiel wechselt zwischen brachialen Soundwänden, verspielten Riffs und irrwitzigen Soli, dazu feuern Frode Flatlands pfeilschnelle Bassstakkati. Und Schlagzeuger Øyvind Solheim malträtiert sein Arbeitsgerät mit einer Ausdauer, die wohl auch den Anforderungen eines Triathlons gewachsen wäre.
Die 50 Minuten von Cry-Baby verteilen sich auf gerade einmal acht Tracks anspruchsvollen Postpunk/Alternativ-Habitus‘ mit deftigen Powerchords, Rhythmuswechseln, bisweilen gefälligen Harmonien und Instrumentalpassagen, die in guten Momenten an Motorpsycho oder Mogwai erinnern lassen (‚Glory Hole‘, ‚Modern Drummer‘). UNGDOMSKULEN verfallen selten in abgedroschene Hardrock-Klischees, und auch wenn die Songs bisweilen etwas überfrachtet wirken, fragt man sich angesichts der ungeheuren Sounddichte, ob da wirklich nur drei Leute am ungestümen Werke sind. Das furiose Tempo wird bis zum Ende unerbittlich und ohne Ruhepause durchgehalten und macht Cry-Baby mithin zu so etwas wie dem Gegenteil einer Easy Listening-Platte – authentisch allemal, aber auch eine gewisse Urlaubsreife hervorrufend. Also schön, Versetzung nicht gefährdet, ab in die Ferien – wir sehen uns in der Oberstufe. Übrigens: der ursprüngliche Bandname lautete „Standing Ovation“. Na dann doch lieber UNGDOMSKULEN.
UNGDOMSKULEN
Cry-Baby
(Ever records /Rough Trade)
VÖ: 05.10.2007
www.ungdomskulen.com
www.myspace.com/ungdomskulen
www.everrecords.com
Autor: [EMAIL=arne.wellding@bands-in-berlin.com?Subject=Kontakt von der Website]Arne Wellding[/EMAIL]