Zwischen Herausforderung und Gefälligkeit.
Carrie Brownstein, Gitarristin und Sängerin der All-Girl-Band WILD FLAG, ist den meisten durch ihre Mitgliedschaft in der Indierock-Band „Sleater Kinney“ bekannt. Darüber hinaus wurde sie 2006 als einzige Frau in die Readers-List der „Most Underrated Guitarists of All-Time“ des Rolling Stone gewählt. Zusammen mit der zweiten Gitarristin und Sängerin Mary Timony, die seinerzeit bei „Helium“ spielte, der Sleater Kinney-Schlagzeugerin Janet Weiss und der Keyboarderin von „Elephant Six“, Rebecca Cole, veröffentlichte sie vergangenen Jahres das selbstbetitelte Debütalbum von „Wild Flag“. Darauf findet sich eine überzeugende Mischung aus dem von Sleater Kinney bekannten rotzigen Indierock, 60s-Girlband-Chören, Postpunk-Anleihen und vielem anderen. Aus diesem eklektizistischen Schmelztiegel kreierte die Band durch eingängige Melodien und schlaue Gitarrenläufe einen eigenen Sound, der es in die Hitlisten vieler Musikmagazine schaffte.
Bei ihrem Konzert im Lido präsentierte die Band nun eine energische Performance, die einerseits das zahlreiche Publikum zum Tanz animierte, andererseits in verschiedenen, mäandernden Gitarrensoli die Grenzen ihrer eigenen Popmusik austestete. Auf der Bühne wird die Harmonie der vier Mitgliederinnen besonders deutlich, auf deren Gesichtern sich meist ein Lächeln findet, während sie sich gegeneinander zuspielen und -singen. Während Weiss und Cole neben ihren Instrumenten für die Background-Chöre zuständig sind, ergänzen sich die zwei unterschiedlichen Sängerinnen auf souveräne Weise. Die eher sanfte Stimme Timonys wird dabei von Brownstein konterkariert, die oft die verschiedenen Extreme ihres Gesangs ausprobiert, indem sein tiefer Klang oft unmittelbar in nervöses Kreischen umschlägt.
Auf ihrem Blog beschwerte sich Carrie Brownstein einst über die Invasion der sanften Indiefolk-Bartträger, deren Musik dazu einlud, sich zurückzulegen und passiv ihren melodischen Sanftmut zu genießen (http://www.npr.org/blogs/monitormix/2009/11/the_end_of_the_decade_skidding.html). Sie selbst wünschte sich eine Welle neuer Rockmusik, in der Harmonien aufgebrochen werden und experimentiert wird, um dadurch Musik zu erzeugen, die den Hörer herausfordert.
Während des Konzerts macht sich dieser Gedanke schnell bemerkbar, denn obwohl die Band Wert auf Melodien und Eingängigkeit legt (das zeigt sich zum Beispiel auch in dem als Zugabe erfolgenden Ramones-Cover von „Do You Wanna Dance“), werden die Gitarren der Musikerinnen oft in die Höhe gehalten, um die Klänge zu verzerren, erfolgt manchmal minutenlanges Experimentieren mit dem Gitarrenspiel, um plötzlich schlagartig wieder in den Refrain einzustimmen. Das Publikum zeigt sich für Berliner Verhältnisse überraschend offenherzig begeistert und fordert Zugaben. Die Band freut sich ebenso und schießt zum Ende des Konzerts noch ein Foto von der zufriedenen Menge.
http://wildflagmusic.com
http://www.myspace.com/wildflag
Autor: [EMAIL=lisa.forster@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Lisa Forster[/EMAIL]