WYE OAK – Civilian


Von Grenzgang und Hypnose.



Civilian beginnt mit einem Stimmenwirrwarr. Eine Handvoll Menschen scheint beisammen, in Unterhaltungen vertieft. Doch das Gemurmel wird flugs von einer Gitarre und Elektroniken zunächst überdeckt und sodann fortgewischt. Obwohl das Aneinandersetzen polarer Dynamiken für WYE OAK typisch ist, präsentiert sich das aus Baltimore stammende Duo dieser Tage gemäßigter.

Gitarristin und Sängerin JENN WASNER teilte einst in einem Interview ihre Intention bezüglich der Herangehensweise im Studio mit. Auf die Frage, ob ihre Vorliebe für den plötzlichen Lautstärkeanstieg auf ihren Longplayern einer Re- bzw. Preinszenierung eines Liveauftritts geschuldet sei, antwortete sie: „We won’t admit this to ourselves often. (…) the way we play live is based on loud-quiet breaks, super-huge jumps in volume and distortion. Sometimes it’s really important to explode with huge amounts of volume. Whether it’s out of a creative impulse, or just an angry one where it’s like, ‚Hey everyone, look over here!’….It’s fun to absolutely dominate a room for a couple of seconds.“

Auf Civilian bezeugen die ersten Sekunden von ‚Two Small Deaths‘, dass WYE OAK beschlossen haben, von nun an den Hörer etwas seltener mit unvorhersehbaren Wellen der Verzerrung zu überrollen. WASNER und ihr musikalischer Partner ANDY STACK schliffen die Kanten zwischen leise und laut, sanft und rau, klar und dreckig ab und haben im Zuge dessen ihr bisher bestes Album gefertigt.

Für ein Duo ist es freilich um vieles schwieriger, alle musikalischen Möglichkeiten abzudecken bzw. heißt es, den personellen Engpass zu kompensieren. Bei WYE OAK gelingt das zunächst mit WASNERs Gitarrenspiel. Ob spärlich gesetzte, elegante Akkordfolgen wie bei ‚Doubt‘ oder die sich schlängelnden Figuren von ‚The Alter‘ sowie das Knurren und Fauchen in ‚Holy Holy‘, WASNER präsentiert eine beeindruckende Diversität und Kraft an der Gitarre.

Seitdem WYE OAK 2008 bei MERGE gelandet sind und unter deren Fahne aufnehmen, hat ihre Melange aus Frau-Mann-Hymnen und schwelgerischen, bisweilen an Shoegaze anlehnenden Klängen zu Vergleichen mit beispielsweise YO LA TENGO geführt. Und obwohl WYE OAK offensichtlich am Independentrock der 90er Jahre festhalten, werden sie gerne (v.a. von ihrem Label) mit „21st Century Folk“ überschrieben. Das ist ein großer Bogen, der da gespannt wird, die Musik des Duos allerdings annähernd zu beschreiben weiß. Denn ein bestimmter Einfluss scheint die Herangehensweise und die Aufnahmen besonders bei Civilian beeinflusst zu haben: NEIL YOUNG. Man hört dies in WASNERs Art und Weise, Geschichten zu erzählen genauso wie in ihrem Gitarrenspiel – am deutlichsten wird dies im Titeltrack. Der Song ‚Civilian‘ tritt als ein gezupftes Beziehungsstilleben in Erscheinung, welches sich langsam auszudehnen scheint, um sich dann in einem Faustschlag gleichenden Solo zu entladen – wohl einer der einnehmendsten Momente des Albums.

ANDY STACK darf nicht ungelobt bleiben. Sein Drumming ist subtil, wenn es von Nöten ist, im Hintergrund zu bleiben und ungeheuerlich, wenn die Klimax es verlangt. Beispielhaft hierfür sein tickender Beat in ‚Dogs‘, der in ein ungezähmtes und bedrohliches Stampfen rollt. Fast noch beeindruckender sind STACKs synthetische Elemente, die er mit viel Bedacht zu jedem Stück hinzufügt und welche Leben in die kleinen Zwischenräume einzuhauchen scheinen.

Während die Ungetüme ‚Fish‘ und ‚Plains‘ in vergangenen Extremen wüten, veranstaltet der Spätzünder ‚We Were Wealth‘ das genaue Gegenteil. Was wie ein träges, gitarrebasierendes Stimmungsbild beginnt, endet in einer wahren Köstlichkeit. Denn wenn WASNERs seidige Stimme sich hebt, STACK einen Keyboardpuls mit Spritzern von Hall und Becken vereinigt, findet sich der Hörer in einem akustischen Farbfeuerwerk wieder.

WYE OAK becircen die Ohren und den Geist und schaffen es, mit Civilian vom ersten bis zum letzten Ton zu fesseln.

Kostprobe unter:
http://wyeoak.bandcamp.com/album/civilian

WYE OAK
Civilian
(Merge Records/City Slang)
VÖ: 07.03.2011

www.wyeoakmusic.com
www.myspace.com/wyeoak
www.cityslang.com
www.mergerecords.com

Autor: [EMAIL=alexandra.wolf@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Alexandra Wolf[/EMAIL]

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