Yung Hurn – Crazy Horse Club Mixtape Vol. 1

Der Cloudrapper YUNG HURN ist noch immer eine der interessantesten Figuren des Deutschraps. Die seltsamen Melangen aus Trap, Elektro- und Indiepop sowie Partyschlager haben den Wiener zu einem Weiberhelden und Vorbild werden lassen. Drei Jahre nach dem letzten Album Y hat er ein Mixtape draußen, das als Vol. 1 wohl andeutet, dass es nicht das letzte sein soll. Seine drei Mixtapes aus 2015 und 2016 haben einen gewissen Kultstatus erreicht. Was ist mit dem neuen Material? 2015 machte er auf coolen Dealer, 2016 auf Sonderling K. RONALDO. Jetzt rennt er blau-rot geschminkt durch die Musikvideos.

Die Mucke hat etwas von Nostalgie für junges Gemüse, das sich an ihre Kindheit in den 2000ern erinnert. Vom Trap ist kaum noch etwas übrig, abgesehen von kurzen etwas verschrobenen Texten, die mal kitschigen Liebeskummer mal Chauvi-Gelaber ausdrücken. Die Stimme wird auf Kinderstimme hochgepitcht (genightcored, wie der, nun ja, Fachmann sagt) und in einen schnellen Elektrobeat gesetzt („Mo – So“). Es ist der Neo-Eurodance der Handyklingeltöne („Ding Dong“) bzw. der 2000er-Trance („Eine Nase“) – ein zurecht vergessenes Kapitel der nicht gerade grandiosen deutschen Popmusik. Verantwortlich für den Quatschsound ist v.a. einer von Yung Hurns Lieblingsproduzenten MISTER SIR.

Auf den Trip nimmt er den Wiener Nachwuchsrapper EN60 („Hollister“), SKRT COBAIN („Elfbar“) und GOLA GIANNI („Yolo“) mit. Alle schnattern über Mädchen bzw. sprechen diese direkt an. Da wird Drogen genommen und ins Bett gegangen. Mit Statussymbolen wird angegeben und mit Selbstmord gedroht. Gähn. Früher war JULIAN SELLMEISTER witziger in der Ironie, radikaler in seiner Reduktion.

Erstaunlich bleibt, wie super das Konzept gegenüber den weiblichen Fans aufgeht: Mit Billo-Lovesongs anziehen („Slow Spook“), aber sich über sie lustig machen, wenn sie ihrem Freund fremdgehen („Yolo“). Irgendwie scheint man ja doch unter dieser Leere zu leiden („Jumpstyle Auf Mein Herz“). Exzessiv zu leben macht natürlich begehrt, aber auch distanziert.

Der einzige Lichtblick kommt am Ende: Der Indiepopper „Aus Mein Kopf“ könnte eine B-Seite von WANDA sein. Wenn das nur der Fingerzeig für das nächste Album wär, sei Yung Hurn wieder zu danken.

 

Yung Hurn
Crazy Horse Club Mixtape Vol. 1
(Atlantic Records Germany)
VÖ: 02.12.2022

www.yunghurn.com

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