„Ach, was war das damals schön! Was haben wir doch alles gespielt und im Fernsehen geguckt!“, so sprechen fast alle Erwachsene über ihre Kindheit. Auch der Liedermacher REINHARD MEY gestand 1998: „Manchmal wünscht ich, es wär nochmal Viertel vor sieben und ich wünschte, ich käme nach Haus“ („Viertel Vor Sieben“). In diesen Chor stimmt jetzt nach seinen beiden ersten EPs auch der Lofi-Hiphop-Artist COLDBREW aus Oklahoma ein. Seine erste LP ist eine Liebeserklärung an die Kindertage und deren Freuden.
Nun sind nostalgische Erinnerungen das bestimmende Thema im Lofi-Bereich, man denke nur an BROCKBEATS. Aber Producer AUSTYN ist es tränenernst damit: „I made this album because I often long to be a child again.“ Die Regression ist hier allumfassend. Der junge Mann will wieder nur mit seinen alten Spielsachen spielen („12/01/1999″). Das massive Productplacement in diesem Album entspringt nicht kommerziellen Wünschen sondern der Verbundenheit mit den damaligen Games. Dass Kinder schon in den 1990ern nicht mehr „Autos spielen“, sondern eben „Hot Wheels spielen“ oder „Matchbox spielen“ sagten, zeigt, wie sehr sie von TV-Werbung beeinflusst waren.
Einfach glücklich will der Musiker wieder sein und merkt nicht, dass er der Verdrängung aufsitzt. Viele Kinder leiden ja unter massiven Ängsten und Gewalt – auch dank anderer Kinder. Sie selbst haben nichts zu sagen und werden permanent in Situationen gepresst, die ihnen fremd sind. Hört man Childhood, ist davon nichts zu spüren.
Lofi- und Game-Melodien leiern dahin. Das Glück, sich völlig in eine Spielsituation hineinfallen zu lassen („4 Square“), wird gefeiert. Allerdings ist da auch der Jazz der Großeltern („Grandma & Grandpa’s House“), die Spannung von Filmabenden („Blockbuster“) oder der schöne Weihnachtsmorgen („Christmas Morning“). All das endet dann tragisch mit dem Auszug („Moving Out“). Der gleichaltrige Zuhörer fühlt sich ähnlich wie beim Zuschauen des Films Boyhood von 2014: Alles vertraut, aber nichts passiert.
Coldbrew
Childhood
(Selbstvertrieb)
VÖ: 28.02.2020