Ende einer Utopie – Was wird aus der FZ16?

Am 14. Dezember 2020 schaltete bei Winterskälte der Hauseigner den Strom in der Frank-Zappa-Straße 16 ab, einem Proberaumhaus in Marzahn-Hellersdorf. Eine kleine Frage nach neuen Proberäumen auf Facebook, weil doch die FZ16 geräumt würde, sorgte bei vielen Bands für Panik. Was war geschehen?

Laut der Firma, die das Gebäude damals in Besitz hatte, war der bisherige Vermieter mit Zehntausenden Euro Miete über alle Berge. Die Haustechnik sei brandgefährdet. Nun sollten Dutzende Bands einen neuen Mietvertrag auflegen oder ihren Raum bis Ende Dezember räumen. Die bisherige Vermieter-Firma widersprach und erklärte ihrerseits die plötzliche Kündigung und das Stromabschalten für widerrechtlich. Letztlich ließ der Hausbesitzer das Haus Ende Dezember polizeilich räumen. Menschen, die im Keller sowie im vierten Stock offenbar seit Jahren wohnten, hatten sich verbarrikadiert und mussten herausgetrieben werden. Sie verloren mitten im Coronawinter z.T. ihr Obdach und Hunderte Musiker ihren Proberaum.

Sperrmüllhaufen Mitte Januar 2021

Ab Anfang Januar begann die systematische Ausräumung des Blocks. Dutzende Bands waren dem Aufruf des Hausbesitzers nicht gefolgt bzw. hatten ihn gar nicht mitbekommen. Nun waren alle Schlösser ausgetauscht worden. Berge von Schrott, Equipment und Sperrmüll türmten sich bis zu 20 Metern hoch an den dritten Stock und ergaben Dutzende Containerladungen. Waren nun rund 200 Proberäume verloren? Würde der Hausbesitzer das Gebäude wirklich sanieren oder abreißen lassen?

Die Räumung der FZ16, die mehr war als ein kommerzieller Proberaumblock in der Nähe von anderen (ORWO-Haus, ARTtraktiv), fällt in eine Zeit voller Räumungen autonomer Strukturen in Berlin. Während im letzten Jahr die Kneipen Meuterei und Syndikat, die Zeltstadt in der Rummelsburger Bucht sowie das besetzte Haus Liebigstraße 34 aufgelöst wurden, fiel das Jugendzentrum Potse fast der Verdrängung zum Opfer. In diesem Jahr sind die Hausbesetzung in der Rigaer Straße 94 und ganz aktuell das Wagencamp in der Köpenicker Straße 137 stark bedroht.

Gigantische Hausaufkäufe durch ausländische Firmen in den letzten Jahrzehnten haben einen Gentrifizierungseffekt in Berlin bewirkt. Die Proteste der 2000er und 2010er Jahre haben den öffentlichen Raum soweit politisiert, dass ein Volksbegehren und ein Volksentscheid zur Enteignung des Konzerns Deutschen Wohnen möglich wurden. Nun wehrt sich der Neoliberalismus selbst mit aggressiven Maßnahmen. Das Ergebnis all dieser Räumungen dürfte das Verschwinden der Punkszene aus dem Stadtbild sein. Dass dies gerade unter Rot-Rot-Grün passiert, kann kein Zufall sein. Die Mittelschicht entledigt sich hier auch der Unterschicht, so leid es ihr auch vorgeblich tut.

Die FZ16 Mitte Oktober 2021

Hoffnung gibt es derweil für die Musiker aus der FZ16, denn diese steht noch und wird bald innen saniert. Schon das ORWO wurde ja einst gerettet. Das „Kultur Räume Berlin – Bündnis Raum für künstlerische Arbeit“ vergibt jetzt 139 Räume für Musik. Voraussichtlicher Mietbeginn soll der 1. Februar 2022 sein. Auf neun Geschossen entstehen in dem freistehenden Gebäude so Arbeitsräume für Musik in drei verschiedenen Größen. Geförderte Musikproberäume werden zum Mietpreis von 5 EUR/qm für maximal vier Jahre vergeben (Bewerbungsfrist: 13.10.2021) und Räume für Musikschaffende zum Mietpreis von 13 EUR/qm mit einer Mietvertragslaufzeit von bis zu 10 Jahren (Bewerbungsfrist: 27.10.2021). Nichts wie ran!

https://kulturraeume.berlin

Fotos: © Conrad Wilitzki

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