Grace VanderWaal: Disney-Stargirl statt „Girl From Mars“

Wie schnell die Zeit vergeht. Alte Helden sind vergessen, junge Küken werden erwachsen. Im diesem Jahr wird das ASH-Album 1977, mit der die Rocker groß herauskamen, 24 Jahre alt. Sänger TIM WHEELER, der 1977 geboren wurde, war gerade 19 – drei Jahre älter als Casting-Nachwuchsstar GRACE VANDERWAAL heute ist. Mit der EP Letters Vol. 1 vom November versuchte sie erfolgreich die Weiterentwicklung vom Kinderstar zur Sängerin, wie dies schon so viele durchmachen mussten. Nun ist der Soundtrack zu ihrer ersten Filmrolle erschienen und der Vergleich erstaunt.

2016 gewann Grace die America’s Got Talent-Staffel 11 und zwar mit eigenen Liedern – eine respektable Leistung für eine 12jährige. Die Jury bejubelte sie als nächste TAYLOR SWIFT. Ihre erste EP Perfectly Imperfect (2016) und die LP Just The Beginning (2017) verkauften sich, wie das bei Castingstars so ist, nur mäßig. 2017 und 2018 gewann sie den Radio Disney Music Avard und das Mädel wurde eingefangen vom Disney Konzern, dem Feind jeder eigenständigen Kunst. Wer noch im letzten Jahr bei der Single „I Don’t Like You“ Konkurrenz für SELENA GOMEZ witterte, sieht jetzt VanderWaal in einem Disney+-Film: Stargirl. Anders Ist Völlig Normal beruht auf der Jerry Spinelly-Novelle von 2000 und ist der Ukulelen-Spielerin wie auf den Leib geschneidert. Nicht nur, dass sich Disney hier der Indie-Film-Ästhetik bemächtigt. Auch ihr Popsong „Today And Tomorrow“ wird verwendet und nicht nur dieser.

Grace und Filmpartner Jordan Horowitz singen Songs nach, die für die amerikanische Indieszene wichtig sind, wie „Be True To Your School“ von den BEACH BOYS, „We Got The Beat“ von den GO-GO’S und „Just What I Needed“ von THE CARS. Filmkomponist ROB SIMONSEN, der schon mit LOL (2012) MILEY CYRUS vermarktete, nutzt die Songs für seine Schmalzmusik um und beraubt ihnen damit die Eigenständigkeit. Auch VanderWaals Stimme hat bereits ihre Einzigartigkeit verloren. Ihre Fans werden das alles verzeihen, weil sie das Poster-Girl für den Kampf der US-Schulen gegen Mobbing ist, ein Thema, das auch der Film anschneidet. Hier ist natürlich Mobbing zwischen Schülern gemeint, nicht etwa zwischen Labelchefs und ihren Künstlern. Wer dagegen Songs über die erste Liebe hören will, der lege lieber 1977 von 1996 auf.

Damals hatten sich die einstigen Grunge-Punks ASH zu Britpoppern entwickelt, obwohl sie aus Irland kamen. Erst letzten Monat hat die Band daran mit Teenage Wildlife erinnert. Hier ist es Wheeler, der sich rockend an sein persönliches „Girl From Mars“ erinnert, das sein Leben veränderte. Auch sie nannte ihm nicht ihren Namen, genau wie Stargirl nicht dem Protagonisten des gleichnamigen Films. In „Goldfinger“ beschreibt er seinen Liebesrausch, den sie auslöste, und in „Oh Yeah“ sein einstiges Glück. Während VanderWaal in ihrem Song „Ur So Beautiful“ ihr Gegenüber anschmachtet und sich maximal verhaspelt, zerreißt es Wheeler bei „Lost In You“ fast zwischen dem Wunsch und der Unfähigkeit, die Liebste anzurufen. Nein, ehrliche Liebeslieder stehen Grace nicht. Der Stolz kommt ihr in die Quere („Just A Crush“, „I Don’t Like You“).

Sie singt lieber vom Mobbing der Schulzeit, das sie ertragen musste („Clay“, „Sick O Being Told“). Wheeler erinnert sich dagegen vergebend an die Mitschüler („Gone The Dream“). Irgendwann ist eben die Schule vorbei. Dass Disney Grace in einem Film wieder da durch schleifen muss, ist grausam.

 

Stargirl. Original Soundtrack
(Walt Disney Records)
13.03.2020

 

Ash Live

11.-15.08.21, Eschwege, Open Flair Festival
12.08.21, Hamburg, Knust

www.ash-official.com

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