Grimes – Miss Anthropocene

Was für ein Kunstwesen! GRIMES inszeniert sich zwischen Elfe, Amazone und Cyborg. Das Post-Menschliche ihrer Kunst kommt ganz oben an: CLAIRE BOUCHER ist nicht nur Indie-Elektro-Popstar, sondern auch Partnerin von Elon Musk, seines Zeichens Milliardär und Transhumanist. Dieser hat schon YUNG JAKE released („RIP Harambe“) und selbst gesungen („Don’t Doubt Ur Vibe“).

Während LADY GAGA nur noch chaotischen Quatsch als Kunst ausgibt (Artpop), versucht Grimes nach dem Durcheinander von Art Angels wieder sowas wie eine Große Geschichte wie zu Geidi Primes– oder Visions-Zeiten anzubieten: Die teils weder akustisch noch inhaltlich entschlüsselbaren Lyrics („Darkseid“) und die SciFi-Videos weisen auf das Postanthropozän hin. Die entkörperlichten Vocals („Violence“, „4ÆM“) liegen auf poppigen Melodien, die jedoch keine radiotauglichen Popsongs ergeben. Sowas hat Grimes nicht nötig. Ob es das fluide Subjekt der Postmoderne oder die zerstörte Erde selbst ist, bleibt unklar. „Idoru“ dagegen wirkt wie ein J-Pop-Song auf amerikanisch.

Der plötzliche Folksong „Delete Forever“ für den 2017 an Drogen gestorbenen Rapper LIL PEEP hat tatsächlich etwas zu tun mit dem Darkwave-Track „My Name Is Dark“: Als Partygirl auf Drogen lässt sie Regierung und Gott hinter sich und ruft sich selbst zur Göttin aus. Sie will Verkörperung der Klimakrise (Miss Anthropocene) sein. Ähnlich wichtig dürften sich Lil Peep und XXXTENTACION auch gesehen haben („Falling Down“). Doch die neue Göttin des Transhumanismus ist die Maschine, weshalb die menschliche Kunst wohl sterben muss („We Appreciate Power“).

Eins ist klar: Alten und neuen Fans wird dieses Album gefallen. Der Mainstream-Pophörer dürfte überfordert zurückweichen.

 

GRIMES
Miss Anthropocene
(4AD/Indigo)
VÖ: 21.02.2020

www.grimesmusic.com

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