Herod – Herod Plays Kraftwerk

Ist es nicht rückständig, wenn eine brasilianische Rock-Band KRAFTWERK nachspielt? Die Elektro-Pioniere gelten doch international als postmoderne Überwinder des modernen Rock. Tatsächlich sind HEROD eine Post-Rock-Band aus São Paulo, die mit ihrem Tribut das Werk der legendären Düsseldorfer kurz nach deren Multimedia-Best-of für den Rock aufschließt.

Die sieben Tracks sind allesamt internationale Hits aus der Pop-Phase von Kraftwerk. Herod spüren ihnen auf ihrem sechsten Studioalbum in einer Art post-rockigen Rückbezug auf Krautrock nach. Die Elektrobeats übersetzen die Epigonen in Hardrockgitarren-Soli („Kometenmelodie 2″). Was vermessen klingt, ist in Wahrheit weitaus demütiger als die vielen kleinen Elektroprojekte, die auch heutzutage noch Kraftwerk covern.

Zur Erinnerung: Weiße amerikanische Musiker übernahmen in den 1950ern den Rhythm and Blues der Schwarzen und verhalfen dem Rock zur weltweiten Jugendrebellion. Doch schon in den 1970ern wandten sich deutsche Musiker im Freejazz und Progressive Rock immer mehr vom Rock ab. Kraftwerk waren dann die schöne Blüte, die dem Krautrock entspross und international elektronische Musik bekannt machte. Weltstars wie DAVID BOWIE und BRIAN ENO begrüßten diese Entwicklung. In gewisser Weise schenkten Kraftwerk mit den elektronischen Beats den amerikanischen Schwarzen dann den Pop zurück, die ihn in HipHop übersetzten.

Als letzter Song ist hier der erste gewählt, den die Welt von Kraftwerk vernahm: „Autobahn“. Die Düsseldorfer grüßten mit der nach den BEACH BOYS klingenden Zeile „Fahr’n, fahr’n, fahr’n“. Diese Zeile aus „Fun Fun Fun“ haben zuletzt THE DRUMS für „I Need Fun In My Life“ genutzt. Herod zitieren nicht nur das alte Autobahn-Plattencover sondern auch den berühmten Pop-Appeal des Originals.

Mit der Single „Antenna“ und „Radioactivity“ wiederholen sie leidenschaftlich und noisy die merkwürdige Übereinstimmung von Radioaktivität und Radio-Propaganda, die Kraftwerk auf Radio-Aktivität beschrieben. DANIEL RIBEIRO (Gitarren) singt dabei keineswegs so monoton und stoisch wie FLORIAN SCHNEIDER und RALF HÜTTER.

„The Model“ haben RAMMSTEIN dagegen bereits zu genüge bekannt gemacht. Herod entscheiden sich für einen Grunge-Ansatz. Kraftwerks „Spiegelsaal“ schließlich führen sie als indisch angehauchtem Progressive ironisch zurück in die 1970er („The Hall Of Mirrors“). Mögen Kraftwerk mit „Spiegelsaal“ David Bowies Narzissmus angesprochen haben, klingen sie 2017, also 40 Jahre nach Trans Europa Express, wie Propheten der Social Media. Werden sie in mehreren TV-Dokumentationen bereits musealisiert, verhelfen ihnen Herod noch einmal zum Leben.

 

Herod
Herod Plays Kraftwerk
(Sinewave/Tratore)
VÖ: 01.09.17

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