Kann Metoo siegen?

Am 24. Februar 2020 wurde Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen in Teilen schuldig gesprochen. Das Urteil darf durchaus als Paukenschlag im westlichen Filmbusiness für Frauenrechte gelten. Selbiges könnte der 27. September 2021 für das westliche Musikgeschäft werden: R.KELLY wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Elf Opfer (sechs zum Tatzeitpunkt minderjährig) hatten ihm z.T. Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauch, Entführung und Zwangsarbeit vorgeworfen.

Viele Mitarbeiter und Kollegen wollten R.Kelly bis in die 2010er nicht als das sehen, was er war, am Wenigsten die schwarze US-Community. Seine beliebten Songs und sein finanzieller Erfolg verunmöglichten eine äußere Abgrenzung von dem Verbrecher. Dass ein Vergewaltiger, ja Sklavinnenhalter, quasi 20 Jahre im Radio und auf den TV-Musiksendern lief, lässt sich nur so fassen. Es war wie bei MICHAEL JACKSON, den man 30 Jahre lang vergötterte. Er war als Musiker und Verbrecher Vorbild für Kelly. Als gegen diesen am 30. August 2021 auch der erste Mann Anklage erhob, ihn als Teenager missbraucht zu haben, konnte auch das nicht mehr geleugnet werden. Die scheußliche Erkenntnis ist: Man(n) kann Frauen und Minderjährige missbrauchen, solange man(n) als erfolgreich im Geschäft gilt. Der Feminismus hat sich nun daran gemacht, dieses Privileg den Erfolgreichen zu nehmen.

Erstaunlich ist, dass noch immer Fans von Jackson und Kelly versuchen, die „Unschuld“ von deren Songs zu verteidigen, damit diese weiter gespielt werden. Im Grunde verteidigen sie damit ihre persönliche Vergangenheit mit diesen Songs, sprich sich selbst. Sie überhören, dass sich Jackson mit Songs wie „Scream“, „Leave Me Alone“ und „Why You Wanna Trip on Me“ und Kelly mit „When A Woman’s Fed Up“ oder „I Admit“ selbst versuchten, zu legitimieren. Die Trennung von Künstler und Kunstwerk ist bei ihnen nur konstruiert.

Wichtig ist zu bedenken, dass der 5. Februar 2015, an dem GARY GLITTER wegen Missbrauchs schuldig gesprochen wurde, zu keinerlei struktureller Veränderung in der Musikbranche führte und der DJ Jimmy Savile 60 Kinder missbrauchen konnte, ohne jemals verklagt zu werden.

Prinz Andrew von England hat gerade gnädig eine Zivilklage wegen Vergewaltigung in den Gemächern von Finanzier und Sklavinnenhalter Jeffrey Epstein akzeptiert. Epsteins mutmaßliche Sklavinnenhändlerin Ghislaine Maxwell könnte noch diesen Herbst vor den Richter geführt werden. Seit Februar haben mehr als ein Dutzend Frauen Vorwürfe gegen MARILYN MANSON erhoben, gerade wurde eine Klage neu eingereicht. Comedian Luke Mockridge hat schonmal seine Shows für das nächste Jahr abgesagt, während sich beim #DeutschRapMeToo gerade der Berliner YIN KALLE mit dem Vorwurf eines sexuellen Übergriffs auseinandersetzt.

Doch wieso konnten so viele Stars vor allem Mädchen gefügig machen? LANA DEL REY hat von der Faszination junger Frauen für erfolgreiche Männer gesungen („Lolita“, „Put Me In A Movie“), ja deren sexy Stärke betont („You Can Be The Boss“, „Push Me Down“). Wenn es stimmt, dass Männer psychisch Körper begehren, Frauen aber Macht und Einfluss (Phallus), wäre es auch eine Aufgabe des neuen Feminismus, ihnen beizubringen, diese nicht mehr bei Männern zu suchen.

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