Als vor zwei Jahren MILLIARDEN wie aus dem Nichts aufploppten, versuchte man, sie als RIO REISER-Epigonen zu verkaufen, als Berliner Antwort auf die Wiener von WANDA. Mochten die Vergleiche für das Duo BEN HARTMANN (Vocals, Gitarre) und JOHANNES AUE (Piano) doch etwas überzogen gewesen sein, war ihr Debüt Betrüger doch ganz ansehnlich. Jetzt wollen sie den ganzen Kuchen. Hartmanns ursprüngliche Schauspielambitionen lebt er nun nicht mehr nur in den Single-Videos aus, sondern hat auch gleich noch den sie verbindenden Kurzfilm Morgen gedreht. Dieser erinnert irgendwie an Sonnenallee (1999).
Das neue Album ist seiner Hometown, der Hauptstadt, gewidmet, von der ja bekannterweise mancher nichts mehr hören will. Dass es dank Gentrifizierung bergab geht mit „Berlin“, ist Ben klar. Doch er will der Metropole mit der Single seine Treue versichern: „Ich bleib bei dir, solang ich kann!“ Er schwört ihr: „Du bist noch nicht verlor’n. Das Chaos steht bereit für eine neue Zeit.“ Das ist natürlich toll, aber eben genau so, wie es die Kritiker der Band ihr ständig vorwerfen: Alles zu gewollt. Neben Lokalkolorit („Die Toten Vom Rosenthaler Platz“) haben Milliarden wieder die selben Themen dabei: punkiges Triebausleben („JaJaJa“) und wilde Ehe („Rosemarie“).
Um der totalen Nichtigkeit in der globalisierten Welt zu entgehen, muss das Individuum ausreißen und auf den Putz hauen („Milliarden Milliarden“): „Zeig, wer du bist! Glaube an dich!“ Das ist die Botschaft der Band. Gut, die ist seit 1968 nicht wirklich neu, aber seltsamerweise inmitten des Selbstoptimierungswahns immer noch gefährlich, zumindest für denjenigen, der den Mut hat, sie zu verwirklichen. Denn jeder ist ja angehalten, sich nur von seiner besten Seite zu zeigen. Konsequenterweise sollten Milliarden also mehr von ihren schlechten Seiten erzählen. Ihre Songs zwischen Poprock und Indiepop sind catchy, aber altbacken, wird es jetzt heißen. Doch wird das diese Band stören?
Milliarden
Berlin
(Vertigo Berlin/Universal Music)
VÖ: 01.06.2018
