Mit rechter Provokation Klicks sammeln. Verschwörungspop Nr. 8

Wirtschaftskrisen und Kriege zeigen an, dass die Demokratie schwächelt. Sie kann augenscheinlich das Treiben des Marktes und der nationalistischen Staaten nicht mehr einhegen. Es ist die Stunde der Neonazis und Verschwörungsideologen, die alle Probleme der Welt auf das Judentum zurückführen wollen. Schon in den 2000ern zeigten sie sich kreativ im Aufbau „Alternativer Medien“ im neuen Schutzraum, den das Internet ihnen bot. In den 2010ern nutzten sie Youtube, Facebook und Twitter erfolgreich, um mit eigenen Kanälen ihre Randmeinung in den Mainstream zu führen. In den 2020ern sind sie bereits gern gesehene, „provokante“ Gäste bei scheinbar seriösen Youtubern. Nationalismus muss jetzt nicht mehr HipHop unterwandern, sondern wird vom HipHop eingeladen.

Einer der ersten dieser fehlgeleiteten Youtuber war der selbst ernannte „Lifestyler“ Nana Domena, der 2016 auf einer Pegida-Demo in Köln den Neonazi Frank Kraemer von der Rechtsrockband STAHLGEWITTER kennen lernte. Statt gegen diesen zu demonstrieren, freundete er sich mit ihm an und etablierte das Youtube-Format sowie den Podcast „Multikulti trifft Nationalismus“. In der Pandemie wurde Domena einer der vielen Querdenken-Akteure der verschwörungsideologischen Coronaleugner-Bewegung.


Ein weiterer Neonazi, der sich gut verkaufen kann, ist der Dortmunder Steven Feldmann. Der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist, der selbst auf TikTok aktiv ist, tauchte Neujahr 2023 in der Folge „MIGRANT trifft auf NEO-N*ZI“ des Koch-Youtubekanals „Beast Kitchen“ auf. Macher ist Ahmed Sharif (Sharo10), der ihn recht blauäugig interviewte. Hier erschien auch noch Neonazi Alexander Deptolla.
Nachdem sie das gesehen hatten, holten dann der Rapper MANUELLSEN und sein Kollege Jihado im Februar Feldmann in ihren Stream. Auch hier konnte er seine Ansichten fast ohne Widerspruch verbreiten. Dass er in Dortmund Neonazis und muslimisch-migrantische Jugendliche zusammenbringt, um gemeinsam Linke und Queers anzugreifen, störte offenbar nicht. Stattdessen glaubte Manuellsen in ihm „gute Werte“ zu erkennen. Ihm imponierte offenbar Feldmanns rechtsextreme Kampfsportszene, zu der auch Deptolla gehört. Ist bei Domena und Kraemer der Antisemitismus das verbindende Element, ist es hier sicher das sexistische Männerbild.
Ein noch größerer Youtuber, der Berliner TomSprm, ging Feldmann ebenfalls auf den Leim, nahm sein Video mit ihm aber wieder offline. Nachdem Domena schon den NPD-Chef traf, durfte hier sofort ein Politiker der rechtsextremen Partei DIE RECHTE vor die Kamera. Ein wenig subtiler geht der Youtuber Leeroy vor, der sich immer wieder Ex-Nazis in den Kanal holt.

Völlig out of space sind inzwischen die Berliner Rapper MC BOGY und B-LASH, die zusammen ebenfalls einen Stream betreiben. 2020 luden sie sich die antisemitischen Coronaleugner Attila Hildmann und Ken Jebsen ein. Inzwischen geben sich in ihrem Kanal weitere Verschwörungsideologen wie Charles Fleischhauer, der „Ketzer der Neuzeit“, Daniele Ganser und Ernst Wolff die Klinke in die Hand. Die scheinbare Provokation wird zur Regel, während sich MC Bogy seinerseits vom #DeutschRapMeToo provoziert fühlte.

Dass migrantisch stämmige Youtuber ignorieren, dass allein seit 1990 in Deutschland über 200 Menschen Todesopfer rechtsextremer oder rassistischer Gewalt wurden, viele davon mit Migrationshintergrund, macht betroffen. Sie geben Hetzern und Gewalttätern eine riesige Bühne, nur um selbst eine Menge Klicks einzuheimsen. Offensichtlich sind Interviews mit Opfern von Hetze und Gewalt weniger lukrativ. Und es zeigt sich, dass Youtuber noch lange keine Journalisten sind. Nein, nicht alle Argumente sind gleichwertig, die Meinungsfreiheit ist nicht unbegrenzt und Meinungen sind keine Fakten.

Mussten in den 2000ern Nazi-Rapper noch mühsam ihrer Szene und der HipHop-Szene erklären, dass sie dazugehören, hat es die rechte Szene inzwischen geschafft, ihren Rassismus soweit zu verbergen, dass sie als Gesprächspartnerin für HipHopper interessant ist. Diese entsetzliche Verblödung könnte sich aus einer Art Resignation über den Rassismus in der deutschen Gesellschaft speisen. Manuellsen bietet ja jetzt sogar wieder BUSHIDO den Waffenstillstand an. Dazu kommt eine gefühlte Solidarität unter „bösen Jungs“ gegenüber dem „bösen Staat“. Antisemitische und sexistische Tendenzen tun ihr übriges. Wer Nationalismus zu „kulturellen Unterschieden“ verniedlicht, dem sind Menschenrechte egal.

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