Paula Hartmann – Kleine Feuer

Die Rapper Deutschlands waren entzückt von PAULA HARTMANN’s traurigen Gesang auf ihrem überschätzten Debüt vor zwei Jahren. Wem NINA CHUBA doch etwas zu jugendlich daherkam, hatte mit Paulas Reimen etwas erwachsenere Lyrics für nachdenkliche Tracks gewonnen. 2021 erkannte übrigens als erster der Berliner LUVRE21  dieses Potential des Fernsehstars („Kein Bock“). Album Nummer zwei soll es steigern.

In „Gespenst“ sitzt der Hörer sofort wieder ganz nah bei Paula in der Berliner U-Bahn, wie sie nachts nach Hause fährt und an einen Kerl denkt, der er nicht aus dem Kopf geht. Ihre an Deutschrap geschulten Texte sind noch cineastischer als auf dem Vorgängeralbum. Das Unbewusste wird sichtbar wie in den Filmen Silent Hill oder Inception: „Mein Herz ist eine Geisterstadt und du bist das Gespenst.“ Zu hören sind im Hintergrund nach wie vor simple Deutschrap-Beats von BIZTRAM.

Wer Hartmann zusehen will, wie sie verstrahlt durch die Hauptstadt läuft, kann sich das Video zu „D.L.IT.“ angucken. Hier will sie sich endlich von dem Typen trennen, der sie so beschäftigt: „Ich zerreiße uns ein letztes Mal. Die Liebe ist tot. Tret‘ die Scheiß-Gefühle lebendig in den Sarg!“ In „Crossfades“ featured Schauspielkollege LEVIN LIAM (SOKO Leipzig), um die On-Off-Beziehung zu beschreiben. Die große Liebe kann eh warten: „Ich mach‘ nur Stunts. Ich sammel Schrammen, bis ich Dich find, irgendwann“, plant Paula in „Schwarze SUVs“. Sich nicht binden zu müssen, wird als Freiheit verstanden: „‚Ich bin zu jung für die Liebe‘, schreie ich aus dem Dach. Berliner Luft in den Haaren, morgens um halb vier. Ich tue niemandem weh, ich will doch nur spielen.“ Das wollte einst auch ANNETT LOUISAN („Das Spiel“). Doch da ist die Erinnerung an die Kindheit, um den Wunsch, zu irgendwem nach Hause kommen zu dürfen, Ausdruck zu verleihen: „Paula, du warst viel zu lang draußen. Komm endlich nach Hause. Du hast genug gespielt.“ („Snoopy“)

Paulas Vorbild als Sadgirl wird auch benannt: „‘92-Kate Moss-Shape“. In „Candy Crush“ wird dann endlich zu Club-Beats getanzt, natürlich auf Droge: „Ich will kein Tilidin. Ich brauche Propofol. Ich schreib mein ‚Billie Jean‘ und morgen bin ich tot.“ Die innere Leere wird mit Clubs gefüllt („7 Mädchen“) und zum Beispiel mit DOMIZIANA gefeiert („Gebrochenes Glas“).

Das Berliner Streetlife ist im Piano-Raptrack „Disney“ bildhaft festgehalten: „Schneeregen gegens Busfenster, Brösel Gras auf dem Nachbarsitz, zwischen Döner und Schmuckhändler, Doppeldecker, Panoramablick“. Hier machen auch die Rapper LUCIO101 und NIZI19 einen guten Job.

Endlich wird auch mal das Songwriting besser. Tracks wie „Zwischen 2 und 5“ und „Schwarze SUVs“ setzen auf Jazzpop. Der finsterste Titel ist tatsächlich der traurige Lofi-HipHop „Sag Was“ mit Trapper T-LOW. Von diesem stammt sicherlich die Idee zum Skandalvideo samt Selbstmord, ist doch KURT COBAIN sein Vorbild: „Ja, gib mir H und eine Shotgun und ich zeig Dir mein Schmerz!“ Seine Rolle ist routiniert die des Drogenopfers: „Rett´ mich vor mir, denn sonst wars das. Fucked up, ja t-low ein Wrack, ja. Baby, das der Weg, bist Du mit vierzehn Jahren schon drugged up. Ich overdose im Perky-Style und nachts auf einem Parkplatz.“

Ihren Status als kleines Wunder im Deutschrap stellt Madamchen am Ende im Titelstück mit Berliner Arroganz aus: „Letztes Album – kleiner Spoiler. Bitte sucht mir einen Betreuer! Wir sind alle Psychos, ihr nur Spiegel. Machen auf gefühllos, doch wollen Liebe.“ Ja, die hat sie langsam echt verdient.

 

Paula Hartmann
Kleine Feuer
(Himbeertoni/Four Music/Sony)
VÖ: 08.03.2024

www.paulahartmann.de

Live

31.05.2025, Konstanz, Campus Festival
27.06.2025, München, Tollwood
28.06.2025, Mainz, Zitadelle Open Air
04.07.2025, Köln, Summerjam Festival
05.07.2025, Stuttgart, Kessel Festival
06.07.2025, Gelsenkirchen, Amphitheater
17.07.2025-20.07.2025, Cuxhaven-Nordholz, Deichbrand Festival
31.07.2025, Dresden, Junge Garde
01.08.2025, Berlin, Zitadelle Spandau
16.08.2025, Weeze, San Hejmo Festival
17.08.2025, Großpösna, Highfield Festival
20.08.2025, Hamburg, Parkbühne – Trabrennbahn Bahrenfeld
13.09.2025, Hockenheim, Glücksgefühle Festival

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