The Conjuring: Moderne Medien als Spielzeug der Vormoderne

Pünktlich zum Kinostart von The Conjuring: Im Bann des Teufels erschien 2021 auch dessen Soundtrack, natürlich wieder von Horrorprofi JOSEPH BISHARA produziert. Er enthielt nicht die Popsongs, die im Film zu hören sind und ihm eine historische Atmosphäre verleihen sollen. Bishara hat einige der Filme aus dem inzwischen entstandenen The Conjuring-Universum vertont und auch den geplanten vierten Teil der The Conjuring-Reihe wird er sicher anpacken dürfen. Doch während sich ELVIS („Suspicious Minds“) nicht mehr gegen den Missbrauch seiner Musik wehren kann, ist es bezeichnend, dass 80s-Stars wie BLONDIE („Call Me“) oder EDDIE MONEY („Baby Hold Onto Me“) nichts gegen den Ausverkauf ihrer Musik haben, hat doch die The Conjuring-Kinoserie einen konservativen, ja reaktionären Spirit. Wie ewig scheint es her, dass Rockmusik als Gegenprogramm zur katholischen Kirche erschien.

Im Oktober 2023 veröffentlichte der Streaming-Kanal Netflix begleitend zu The Conjuring 3 auch die Dokumentation Der Teufel auf der Anklagebank. Hier kam die traurige und verstrittene Familie Glatzel zu Wort. Darunter sind David Glatzel und sein Kumpel, der Mörder Arne Cheyenne Johnson, die bis heute glauben, 1980 von einem Dämon besessen gewesen zu sein, der sie schlimme Dinge tun ließ. Diese Rechtfertigung von Gewalt bis hin zu Mord wurde ihnen offenbar von ihrer Mutter sowie von dem populären Geisterjäger-Paar Ed und Lorraine Warren eingeredet. Und so sind die Warrens die eigentlichen Stars der Doku, des Films sowie all der Bücher und Filmserien wie Amityville Horror, The Haunted, The Conjuring, Annabelle, The Nun etc., die von ihren Fällen handeln.

Im Film The Conjuring 3 wird „Call Me“ von Blondie genau mit dem Mord des damals 19jährigen Arne Cheyenne Johnson an seinem Vermieter verbunden: Hier wird der Song von Johnsons Opfer gesungen, was diesen zur Tat mit motiviert. Dass hier Alkohol und Eifersucht ihre Rollen spielten, wird also gezeigt, aber dann doch dem bösen Geist die Schuld gegeben. Johnson kam 1981 vor Gericht und plädierte hier ernsthaft auf nicht schuldig aufgrund dämonischer Besessenheit. Der Richter winkte ab und Johnson kam ins Gefängnis. Als Stimme der Vernunft tritt in der Netflix-Doku übrigens Davids älterer Bruder Carl Glatzel auf, der nicht nur erwähnt, dass deren Mutter ihnen Pillen ins Essen mischte, als sie Teenager waren, sondern auch die Geldgier der Warrens.

Die klugen Warrens konnten damals auf eine Spaltung der Gesellschaft vertrauen: Entweder man glaubte konservativ an Gott und Teufel, dann musste man auch ihre Spukgeschichten als „Beweise“ anerkennen. Oder man war liberaler Atheist und durfte sie als Betrüger abtun. Entweder hatte das katholische Paar mehreren Familien geholfen oder deren Fundamentalismus sowie Wahnvorstellungen genährt und ausgebeutet. Sie hatten Geisterbeschwörungen bzw. Exorzismen durchgeführt oder aber Menschen zu Statisten ihrer Show trainiert. Lässt sich Religion vielleicht grundsätzlich als Kunst mit Menschen betrachten? Das Faszinierende war, dass die Warrens ihre vormoderne Botschaft im modernen Gewand überbrachten, mit allerlei technischem Gerät und über jede Menge Medien: Verhält sich der Teenager merkwürdig, schickt man ihn nicht zum Psychotherapeuten, sondern ruft den Priester. Muckt das Kind auf, muss es besessen sein. Wohin solche „Erziehung“ führt, zeigte der Film Requiem (2006) über den deutschen Fall Anneliese Michel von 1976.

2017 kamen übrigens #Metoo-Vorwürfe gegen Ed Warren auf: Er habe mit Lorraines Wissen über Jahrzehnte eine sexuelle Beziehung mit einer anderen Frau gehabt, seitdem diese minderjährig war. Dies kann nicht wundern, waren doch die 60er-80er Jahre eine Hochzeit des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche. Dass nach den weltweiten Skandalen das Kino 2021 noch immer einen möglichen Täter als romantischen Helden gegen das Böse feiert, zeigt das Rollback der US-amerikanischen Popkultur.

 

Joseph Bishara
The Conjuring: The Devil Made Me Do It (Original Motion Picture Soundtrack)
(WaterTower Music/Warner Bros. Entertainment Inc.)
VÖ: 28.05.2021

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