Get Well Soon – The Horror

Schon vor zwei Jahren bauten GET WELL SOON ihren Kammerpop zu einem Orchester-Pop aus. Ging es in Love noch um das Gefühlschaos, ist es diesmal auf die Angst zusammengeschmolzen. Das fünfte Studioalbum The Horror glänzt mit vielen magischen Momenten, die jedoch nicht von einem einheitlichen Sound zusammengehalten werden. Dafür gibt es eine dreiteilige Mini-Serie im Internet zu bestaunen.

Das teils atonale Orchester stellt in „Future Ruins (Pt. 2) gleich zu Beginn die unheimliche Atmosphäre alter Schwarz-Weiß-Krimis her. Nach zweieinhalb Minuten wechselt der Track in einen loungigen Jazz mit Vocals der tunesischen Sängerin GHALIA BENALI. Nach einer weiteren Minute schält sich daraus ein schlagzeuggetragener Indiepop, bei dem KONSTANTIN GROPPER selbst ans Mikro dazutritt. Das Outro wird wiederum von Benali bestritten.

Im Titelstück versucht sich Gropper erneut in einem ruhigen Bariton wie von JOSS HOMME (QOTSA), um zu orchestralem Pop zu beschreiben, wie Horrorfilme allmählich Realität werden. Er beschreibt hier das seltsam interessante Gefühl, das Intellektuelle verspüren, wenn sie die Krisen der letzten Jahre betrachten. Für „Martyrs“ kehrt er zum Vibrato zurück, um bei 50s-Vibes den Plot eines Gruselstreifens durchzugehen.

Dieses Vor und Zurück im eigenen Stil hat den Sinn, sich alle Möglichkeiten offen zu halten. Ab „Nightmare No.1“, das die Jämmerlichkeit der neuen in die Jahre gekommenen Existenz darstellt, entscheidet er sich für den bräsigen Altherrensound.

„The Only Thing We Have To Fear“ beginnt übrigens mit einer Einleitung von SAM VANCE-LAW, für den Gropper das Coming-Out-Album Homotopia mitproduziert hat. Hier singt der Bandchef davon, dass das was er wirklich zum Fürchten findet, der Wiederaufstieg des Faschismus in Europa und den USA ist. Schön ironisch stellt er später heraus, welche Angst den Faschismus befeuert: die Furcht vor dem Statusverlust („[How To Stay] Middle Class“).

Eine fast feministische Intervention ist „Nightjogging“: KAT FRANKIE und Gropper sprechen sich gemeinsam gegen das Victim-Blaming von Vergewaltigungsopfern aus, aber gleichzeitig auch gegen den rassistischen Versuch, Vergewaltigung zum importierten Ausländer-Problem zu erklären. Bildung ist alles: „Boys won’t be boys.“

Gegen Ende geben Gropper und seine Schwester VERENA dem Hörer noch einen guten Rat auf den Weg, um den Horrorfilm namens Lebens zu überleben: „In horror unite together. Let’s dance in darkest night.“ Musik besiegt alles. Mal wieder ein Hörgenuss dieses Get Well Soon-Ding.

 

GET WELL SOON
The Horror
(Virgin Music/Caroline/Universal)
VÖ: 08.06.2018

www.youwillgetwellsoon.com

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