Matt Elliott – The End Of Days

Fast genau ein Jahr nach Songs Of Resignation Too erscheint The End Of Days. Nein, hoffnungsvoller ist die Welt von MATT ELLIOTT keineswegs geworden. Sprach er im Vorjahr hauptsächlich vom privaten Leid etwa durch einen persönlichen Verlust, ist dieser nun erneut zum Weltschmerz ausgewachsen. Dieser Perspektivwechsel zeigt sich auf musikalischer Ebene in der Öffnung vom Dark Folk hin zur Stilvielfalt, was wiederum eine Rückkehr zu Farewell To All We Know bedeutet.

Das Titelstück ist der erste von sechs Songs, die jeweils zwischen vier bis zwölfeinhalb Minuten umfassen. Der Hörer besucht den Musiker in seinem Domizil auf dem Land, in dem er sich zu verstecken versucht, wie er sagt. Freundliche Gitarren begrüßen ihn. Elliott lädt ein zu einem Spaziergang. Seine Gedanken sind nicht ganz so kalt, doch der Himmel ist bewölkt, wie auf dem Album-Artwork von Fotokünstler Johann Fournier. Matt stellt fest, wie albern, verlogen, ja billig es doch sei, den eigenen Schmerz auszubeuten, um ein paar Songs zu schreiben. Tatsächlich ist ja alles verloren. Die Hoffnung war vergebens. Nicht einmal das süße Lachen der Kinder kann ihn erheitern. Die Welt ist schlecht trotz all der Lieder. Dennoch fängt die Gitarre langsam an zu tanzen zu jüdischen Weisen, in die schließlich auch ein Saxophon einstimmt.

Was kann die Religion noch, was die Kunst? Nach 1945 fragten sich dies Philosophen und Theologen. Wenn Gott und die Menschheit versagt haben, ist dann nicht Gott tot und die Menschheit verloren? Dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts Mitten im Februar ein nationalistisches Land in Europa einen Krieg anfängt, wirft diese Frage wieder auf. Ein Jahr später führt „January’s Song“ den Weg durch die Felder fort. Matt schweigt. Gitarre, Klavier und Saxophon klagen für ihn. Doch dann singt der Männerchor vom Licht am Ende des Tunnels: „Night is the darkest just before the dawn.“

Die Bitterkeit dieser Lieder findet überall Resonanzräume: in Portugal, auf dem Balkan, in Israel. Sie rühren an, geistern durch den Kopf. Das einzig Gute, was Lieder noch können, ist Medizin zu sein. Das wunderschöne „Healing A Wound Will Often Begin With A Bruise“ ist ein Paradebeispiel. Doch die Therapie wirkt nur, wenn sie einen langen Zeitraum beanspruchen kann.

Dann hat Elliott den Hörer zu seinem Ziel geführt: Auf dem Friedhof legt er der Geliebten Blumen auf das Grab („Flowers for Bea“). Er will ihren und auch seinen Namen nicht aussprechen: „The flowers tell that someone is to grieving. The flowers say that someone still felt pain.“ Und den Schrei der Blumen stößt am Ende die E-Gitarre aus.

Trotz all der Weltabgewandtheit ist da doch sein Herz, das noch schlägt. Seitdem HANS-ECKARDT WENZEL allein seine Lieblingsgedichte von Theodor Kramer vertonte (Lied Vom Rand, 1997; Vier Uhr Früh, 2006) hat man in Europa nicht mehr solchen Gram gehört.

 

Matt Elliott
The End Of Days
(Ici, d’ailleurs…)
VÖ: 31.03.2023

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