Unter anderem NICK LUTSKO hat ihn angekündigt („Joker Too“). Jetzt ist er also da: Der ersehnte und ursprünglich gar nicht geplante Nachfolger zu Joker, dem Überraschungsfilmhit 2019. Hier wurde die Entstehungsgeschichte eines der beliebtesten Comic-Bösewichte überhaupt erzählt. Wie wurde aus dem bedauernswerten Looser Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) der irre Terrorist Joker, einem der Erzfeinde von Batman? Der Film endete mit seiner Verhaftung, nachdem er einen Mord vor laufender Kamera anrichtete, der eine Art politische Revolte in Gotham City heraufbeschwor.
Diese neue Joker-Interpretation löste weltweit Identifikationen aus. So brachte sich etwa der Rapper CAPITAL BRA im Musikvideo „Arkham Asylum“ als Joker gegen den Konkurrenten BUSHIDO in Stellung.
Der zweite Teil des Films setzt ebenfalls in dieser Irrenanstalt ein. Der Soundtrack wird fast ausschließlich von Phoenix und LADY GAGA gesungen, die hier die Rolle von Jokers Geliebter Harley Quinn spielt. Das manipulative Fangirl war unwiderstehlich für Gaga, sang sie doch schon 2009 in „Paparazzi“ von der Beziehung zwischen Fan und Rockstar, aus der im Musikvideo einige Morde folgten. Im Video zu „Telephone“ kam sie dafür ins Frauengefängnis.
Bereits am 27. September 2024 hatte Gaga das Jazz-Album Harlequin veröffentlicht, das die meisten Titel des Soundtracks bereits in einer eigenen Version präsentierte. Komponistin Hildur Guðnadóttir bietet nun 15 bekannte Musicalnummern an, denen sie ein Medley von NICK CAVE voranstellt: Er spielt „Slap That Bass“ (aus Darf ich bitten?, 1934), „Get Happy“ (aus Merrie Melodies, 1931-3) und „What The World Needs Now Is Love“ von BURT BACHARACH nach. Letzterer hatte den Song schon persönlich in Austin Powers (1999) gesungen.
Während Lady Gaga ihr Gesangs- und Showtalent in alten Gassenhauern wie „That’s Entertainment“ (aus Vorhang auf!, 1953) voll ausspielen kann, ist Phoenix nun kein großer Sänger. Er müht sich in Titeln wie „True Love Will Find You in the End“ ab, seiner traurigen Rolle Charakter zu verleihen, wie er dies auch in Walk the Line (2005) als JOHNNY CASH tat. Nur gemeinsam mit Gaga kann er etwas glänzen wie in „(They Long to Be) Close To You“ von THE CARPENTERS. Letzterer Titel tauchte erst vor kurzem bei PETER PIEK auf („Close To You“).
Inhaltlich ist Joker: Folie à Deux gewissermaßen eine verfilmte Kritik auf den ersten Teil. Diesem wurde Gewaltverherrlichung vorgeworfen und dass Rechte wie Linke von ihm aufgestachelt werden könnten. Hierzu weckt Regisseur Todd Phillips bei den Fans die Erwartung, er würde den Übergang von Arthur Fleck zum Gangster Joker inszenieren, die er dann brutal enttäuscht. Ganz liberal wird deutlich gemacht, dass jegliche Gewalt bitter bestraft wird, selbst wenn sie von einem Opfer wie Arthur Fleck ausgeht. Auch der Idee, dass Musik einem Individuum Identität und damit Selbstbewusstsein verleihen kann, wird letztlich eine Absage erteilt. Ein Opfer bleibt ein Opfer.
Dass er hier seinen eigenen alten Film interpretiert und entwertet, nimmt der Regisseur in Kauf und dass er einen Gerichtsfilm ironisch als Musical inszeniert, hilft ihm dabei. Unwillkürlich muss man an den zurückliegenden Trump-Prozess denken, der erste Prozess gegen einen ehemaligen Präsidenten der USA, der mit einer Verurteilung endete, aber wegen einer Wahl vertagt wurde. Es wirkt, als zeige das von den Rechten als zu liberal gescholtene Hollywood einmal mehr seine Zähne. Die liberale Gaga könnte ebenfalls zu dieser pädagogischen Regie beigetragen haben.
Joker: Folie à Deux (Music from the Motion Picture)
(WaterTower Music/Interscope Records)
VÖ: 04.10.2024