Soll man’s hören oder lieber lassen? Das fragt man sich bei Muse seit langem. Zu groß ist die Chance, Murks statt großer Kunst geliefert zu bekommen. Trotzdem locken sie einen doch immer wieder. Und im Falle von Simulation Theory vor vier Jahren wurde das ja auch teilweise belohnt. Das retromanisch-postmoderne Album wirkte wie die Fortsetzung von The Resistance (2009). Und in dieselbe Kerbe schlägt jetzt auch Will Of The People.
Zum Start gröhlen im Titelstück MARILYN MANSONs „Beautiful People“ ihren Willen. Nun behauptete dessen altes Stück die Diktatur des Lookismus über die Hässlichen bzw. die kapitalistische Herrschaft über die Armen und blieb damit für viele Hörer recht, nun ja, mehrdeutig. Und auch bei Muse muss man sich vor Augen führen, für welche politische Seite die Band hier Partei ergreift. In „Compliance“ wird zum Mitmachen aufgerufen, solang man die eigenen Werte teilt: „We just need your compliance. You will feel no pain anymore“. Solcherlei Lovebombing kennt man nicht nur von politischen Bewegungen sondern auch von Sekten, wie Comedian Rüdiger Hoffmann einst ausführte („Der Seelenfänger“).
Sänger MATT BELLAMY gefällt sich in „Liberation“ einmal mehr in der Rolle von FREDDIE MERCURY (QUEEN), bevor er in „You Make Me Feel Like It’s Halloween“ wieder an MICHAEL JACKSON gemahnt. Im Text zitiert er die Filme Halloween und Misery, wobei im Musikvideo etwa noch Es, The Shining, Scream und Saw dazukommen. Jepp, auch mit dem Popkultur-Wettbewerb geht es munter weiter, schlicht weil man es kann, Roboterstimmen und Gitarrensoli on top. Gleichwohl ist das alles nicht sehr kreativ: Schon WANDA übernahmen Motive aus The Shining (1980) ins Video zu „Auseinandergehen Ist Schwer“ (2014) und auch die Helden von Ready Player One (2018) rannten bereits durch das Overlook-Hotel.
Muse nimmt ihren alten Status als Neorockband in „Kill Or Be Killed“ mal richtig ernst. Während „Euphoria“ ein neues „Starlight“ sein soll, wirkt „Verona“ wie ein äußerst kitschiger Abklatsch von „Unintended“. Bellamy muss stets ganz dick auftragen: Mal richtet er sich gegen seine Feinde, dann an politische Führer oder die Massen und in „Verona“ gar im Romeo und Julia-Thema an die Liebste. Wieviel schöner ist dagegen die einfache Pianoballade „Ghosts“.
Überhaupt will hier eine Band zu alter Stärke zurück, was ihr nur bedingt gelingt. Zu oft gehen coole Songideen in mülliger Elektronik oder Bellamys simpler Lyrik unter („We Are Fucking Fucked“). Hier zählen sie alles auf, was so nervt: Klimawandel, Corona, Ukrainekrieg. Stimmt, das alles führt zu vielen Toten. Vielleicht muss man da pathetisch werden, um nicht zu resignieren? Darum sieht das Bandlogo auch wie ein Anarchie-Zeichen aus.
Muse
Will Of The People
(Warner Music International)
VÖ: 26.08.2022
Live
28.10.22, Berlin, Admiralspalast