Rammstein – Zeit

Da hat wirklich BRYAN ADAMS das Coverfoto für RAMMSTEINs letztes Album gemacht. Wem das nicht Sensation genug ist, wie wär’s damit: Diesmal gibt es keinen veritablen Skandal zum bislang schwächsten Album. Und die erste Single „Zeit“? Alles nicht so aufregend oder?

Da gab es doch tatsächlich Fans, die das letzte LINDEMANN-Album spannender fanden, als die selbstbetitelte letzte Rammstein-LP und meinten, sie sollten es jetzt doch sein lassen. „Manches sollte, manches nicht“, urteilt die Band selbst im Titelstück und taucht aus der Coronakrise wieder auf. Sie will sich wenigstens noch einmal gebührend bei der treuen Anhängerschaft bedanken. Sie wollen „aufhör’n, wenn’s am Schönsten ist“ und nehmen mit „kein Wunder wird gescheh’n“ auch die Hoffnung auf etwas Neues. In „Adieu“ heißt es etwa wie einst bei Komiker Heinz Erhardt („Noch’n Abschiedslied“): „Adieu, Goodbye, auf Wiederseh’n“.

Waren die Kerle angeblich nie Kinder von Traurigkeit, beschreiben sie sich und ihre Fans nun als „Armee Der Tristen“. Tragisch wie das Cover sind auch einige der Tracks. So zieht sich TILL in die Nacht zurück („Schwarz“) wie FARIN URLAUB letztens zum Jazzhören („Tristesse“, „Dunkel“).

Doch wo ist der Spaß an dieser Zugabe? Sie besteht fast nur aus Deutschrock und Düsterpop. Bei dem Schönheits-OP-Track „Zick Zack“ darf man zumindest nochmal über Tills berüchtigten schwarzen Humor schmunzeln. Auch seine Sexfantasien werden ein weiteres Mal mit „OK“ bedient. Allerdings hätte er früher einen Track wie „Giftig“ sicher ein wenig ekliger gedichtet. Wieso nicht Zähne phallisch und Gift spermatös aufladen? Stattdessen reflektiert er immer wieder über das eigene Altern. Und bayerischen Schuhplattler-Mist („Dicke Titten“) haben KNORKATOR schon 2005 lustiger hingekriegt (High Mud Leader).

Auf der Habenseite sind Tracks wie „OK“ oder „Lügen“ trotzdem, da sie nicht nur die bösen, klassischen Rammstein-Riffs zulassen, sondern sich auch schön dem postmodernen Zeitgeist verweigern. Nein, spießig werden diese alte Schelme wohl nie. Aber zumindest die Unsitte des Autotune („Lügen“) wird noch schnell von TILL ausprobiert. Nach „Mathematik“ ein weiterer kleiner Schlag in Richtung Deutschrap?

Dem alten Thema der mangelnden „Mutter“-Liebe wird mit „Meine Tränen“ zusätzlich ein ödipaler Twist gegeben, was zu einer Übermacht der Mutter führt. Das haben EISREGEN vor kurzem aber noch böser hinbekommen („Mutter Schneidet“).

Politisch haben Rammstein sich bei den letzten Gelegenheiten relativ klar gegen Nationalismus („Mein Land“, „Deutschland“) gestellt und über Rassismus lustig gemacht („Ausländer“). Nun erklären sie mit „Angst“ auch noch, wie es zu den beiden Ideologien kommt. Deutschlands größte lebende Band stellt sich vor Flüchtlinge – Wenn das nicht die wahre Sensation ist!

 

Rammstein
Zeit
(Universal Music)
VÖ: 29.04.2022

www.rammstein.de

Live

20.05.22, Leipzig, Red Bull Arena
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04.06.22, Berlin, Olympiastadion
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19.06.22, Düsseldorf, Merkur Spiel-Arena

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