Nach den hochpolitischen Alben Pudding Mit Frisur Teil 1, Teil 2 und Teil 3 sowie dem Kinderlieder-Album Tanz Den Spatz (2018) wird SVEN VAN THOM wieder persönlich. Selbst der wunderschöne Protestsong „Darüber Kann Ich Nicht Lachen“, den er nach fünf Jahren wieder spielt, ist äußerst ehrlich. Konnte er damals den unheimlichen Erfolg von Pegida und Co. nicht fassen, sind es jetzt die Coronaleugner. Das allerneueste Album des Liedermachers handelt von den selben beiden Themen wie das erste Phantomschmerz (2008): Liebe & Depression.
Sven hat hier von den Drums bis zum Theremin fast alles allein aufgenommen und abgemischt. Durchweg verhaltener und schüchterner als früher wird die Gitarre angeschlagen, während er über hässliche Momente singt. Gleich am Anfang wechselt er bei „Verlieb Dich Bloss Nicht In Mich“ die Perspektive vom alten Track „Bitte Verzeih“: Nach einer heißen Nacht versagt die Eroberung die Chance auf eine gemeinsame Zukunft. Neben der Mundharmonika erklingen Cello und Violine von ANNE MÜLLER (NILS FRAHM, AGNES OBEL) für das ewige Drama vieler Post-Jugendlicher mit ihren Affären. Wieder an der Akustikgitarre spinnt sich in dem INA SIMONE MAUTZ-Cover „Ich Bin Nicht Die, Die Weint“ aus dem Bild eines Berliner Bahnhofs die Unfähigkeit, den Geliebten loszulassen.
Für „Dass Es Knallt“ hat er LARISSA PESCH (LAING) in ein elektronisches MACHETE-Duett zum Thema Niedergang eines Menschen geholt. In „OK“ erteilt er Sänger KAI-OLAF STEHRENBERG das Wort, der von seinen Depressionserfahrungen spricht. Und im Video zum Depri-Smasher „Danke Gut“ singen weitere Kollegen von Sven am Smartphone, so wie es schon zahlreiche deutsche Popmusiker in DEICHKINDs „Selber Machen Lassen“ taten, nur halt mit weniger Spaß. Nein, Hoffnung verbreitet Rathke nicht („Gute Nacht“).
Dafür legt er peinliche Wunden frei und zeigt, was wirklich hilft: Wenn es nach tausend und einer Nacht doch Zoom macht („Die Ganze Zeit“). Selbst eine nur einigermaßen funktionierende Beziehung kann für viele Menschen das Happy-End („Sie Ist Immer Noch Hier“), ja die Erlösung bedeuten. So sehnsüchtig wie in „Heut Werde Ich Dich Wiedersehen“ wartete auch einst MACY GRAY auf die Rückkehr ihres Geliebten im Video zu „I Try“. Svens Melodie erinnert an „The Great Pretender“ von THE PLATTERS. Vielleicht kann Liebe die Volkskrankheit Depression lindern. Doch von dieser Pandemie spricht natürlich zur Zeit kaum jemand.
Sven Van Thom
Liebe & Depression
(LOOB Musik/Alive AG)
VÖ: 05.02.2021
Live
22.5.21, Magdeburg, Moritzhof
