Postmoderne Märchen 5

Vorhang auf für einen Film, von dem jeder bereits im Vorhinein wusste, dass er schlecht werden würde: Schneewittchen. Das Besondere ist, dass diese xte Live-Action-Verfilmung eines Zeichentrickklassikers nun gerade auf dem Titel beruht, der den weltweiten Siegeszug des Disney-Konzerns begründete: Schneewittchen und die sieben Zwerge von 1937 – ein Film, von dem die Nazi-Eliten schwärmten. Man könnte von einer Art firmeneigener Verdrängung der Vergangenheit sprechen.

Diese postmoderne Wiederholung wurde bereits im Vorfeld öffentlich beschimpft, weil sie für all das steht, was man Disney seit Jahren vorwirft: Unnötige lieblose Realverfilmungen, das Girl-Boss-Thema für die weibliche Hauptfigur, Umdeutung eines Märchenstoffs in 08/15-Fantasy, „woke“ Umbesetzungspolitik und Apologetik der Monarchie.

Der Soundtrack ist hier doppelt vorhanden: Neben dem üblichen instrumentalen Hintergrund-Score von JEFF MORROW, hielt man es für angebracht, das Märchen zum halbstündigen Musical von BENJ PASEK, JUSTIN PAUL sowie JACK FELDMAN aufzubauschen. Unglaublich ist schier die Fehlbesetzung der beiden Hauptfiguren Schneewittchen und böse Königin: Sowohl Rachel Zegler (West Side Story) als auch Gal Gadot (Wonder Woman) spielen schlecht und positionierten sich auch noch auf je eine Seite des Nahostkonflikts. Doch im Gegensatz zu Zegler kann Gadot auch nicht gut singen. Zudem ist verrückterweise in diesem Schneewittchen-Film die böse Königin schöner als die gute Prinzessin.

Die Zwerge singen wieder ihre fröhlichen Arbeiterlieder („Heigh-Ho“), während Schneewittchen sie ähnlich wie einst Mary Poppins im alten Film von 1964 und auch Mary Poppins Returns (2018) antreibt („Whistle While You Work“). Außerdem gibt es noch eine Broadway-Nummer namens „Princess Problems“ mit Andrew Burnap, der hier keinen Prinzen sondern einen Dieb spielt.

„Good Things Grow“ ist ein Fantasy-Song, in dem das übrige Ensemble die großartige Prinzessin ankündigt, mit der sich die weiblichen Zuschauerinnen identifizieren sollen. Zegler nimmt lieblich ihr Schicksal als echte Disney-Prinzessin an („Waiting On A Wish“). Das Ensemble unterwirft sich dann auch freudig ihrer „guten“ Herrschaft. Dass das US-Publikum diese liberale Ideologie nicht mehr sehen und hören will, kann man verstehen. Auch Disney hat seinen Anteil daran, dass die rechtskulturelle Konterrevolution erfolgreich war, Kamala Harris versagte und Trump nun wieder Präsident ist.

Zudem wiederholt der Film trotz seines popfeministischen Anspruchs recht unreflektiert sexistische Themen, die auch in anderen aktuellen Streifen auftauchen: Da ist zum einen die Konkurrenz unter Frauen anhand des Alters wie etwa in The Substance (einer Neuauflage von Der Tod steht ihr gut von 1992), und zum anderen die schöne Frauenleiche wie in der dritten Verfilmung von Nosferatu. Popmusikalisch könnte man zum einen auf „Me Against The Music“ (MADONNA und BRITNEY SPEARS, 2003) verweisen und zum anderen auf „Where The Wild Roses Grow“ (KYLIE MENOGUE und NICK CAVE, 1995).

 

Disney’s Snow White (Original Motion Picture Soundtrack)
(Walt Disney Records/Universal Music)
14.03.2025

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