Wer sind die Doomer? Die abgekämpften Trump-Wähler

Zur letztjährigen Trump-Kampagne bildete eine überraschend geschmackvolle Musikauswahl für viele Menschen den Hintergrund, die Donald Trump selbst offenbar nicht kannte. Während sein Wahlkampfteam die VILLAGE PEOPLE auftreten ließ, um die Homophobie der Republikaner zu kaschieren, hörten seine Wähler russischen Postpunk, alte Sowjetmusik, Doom Jazz und Krautrock. Diese Genres kursieren in vielen Songlisten der „Doomer“, einer depressiven Netzkultur. Neben Kulturpessimismus und 80er-Nostalgie erklingt hier die Erinnerung an eine Linke, die mal die Armut abschaffen wollte.

Jemand, der bereitwillig jedwede aktuelle rechte Kultur aufnimmt und Ideologen ein Sprachrohr sein will, ist Lofi-HipHop-Producer AKIRA THE DON. Das Meme des Doomers wird von ihm in drei LPs aufgenommen (Doomer Music, Doomer to Bloomer, Bloomer Music, Doomer to Bloomer: Nirvana) und mit müdem Lofi-HipHop untermalt. Zu hören sind Reden von verschiedenen Intellektuellen, die einem erklären, wie man ein glücklicherer Mensch (ein „Bloomer“) bzw. ein richtiger Mann wird. Denn Akira ist seit Jahren vor allem vom sexistischen Möchtegern-Philosophen Jordan B. Peterson besessen und lässt diesen immer wieder zu Wort kommen. Damit nicht genug, übernimmt er in vier The Chad Formula-LPs die frauenfeindliche Incel-Ideologie. Sie wird hier aufbereitet mit Texten u.a. von Peterson, dem Verschwörungsideologen Joe Rogan sowie Versatzstücken aus der Stoa (vom römischen Kaiser Marcus Aurelius und vom römischen Philosophen Epictetus). Diese selbstverherrlichende Motivation hat übrigens so gut wie nichts mit Stoizismus zu tun.

Ein Song stieg im Sommer 2023 zur Ikone auf: „Rich Men North Of Richmond“ von OLIVER ANTHONY aus Virginia. Das Arbeiterlied im Gewande eines Americana-Songs formulierte jede Menge Wut auf niedrige Löhne, hohe Steuern und Inflation. Schuld wird den Reichen gegeben und auch der Vergewaltigungsskandal um Jeffrey Epstein wird angesprochen. Allerdings beklagt Anthony auch Sozialhilfemissbrauch. Er passt damit als Symbolfigur der Doomer, als depressiver Arbeiter, der sich vom rechtskonservativen und „linken“ Establishment gleichfalls im Stich gelassen fühlt. Er ruft nicht zum solidarischen Streik auf, sondern ist neidisch auf die vom Sozialstaat Unterstützten. Es ist die Tragik unserer Zeit: Junge, empowerte Akademikerinnen orientieren sich eher nach „links“ und junge, abgehängte Männer eher nach rechts.

Doch was versteht die Bevölkerung heutzutage unter „Linken“? Beobachter des vergangenen US-Wahlkampfs empfanden Trumps rechte Kampagne als merkwürdig inklusiver als die der Demokraten. Kamala Harris setzte auf Minderheitenförderung und verlor. Trump sprach die Mehrheit mit Nationalismus an und gewann. Und noch einmal unterstützen MADONNA, SCARLETT JOHANSSON und MILEY CYRUS wohl nicht die Anti-Trump-Proteste. Aus den Reihen der Superstars macht das nur noch BRUCE SPRINGSTEEN, der einst Symbolfigur des linken US-Arbeiters war. Erstaunlich ist, dass inzwischen Leute wie die Rapper SNOOP DOGG, NELLY und RICK ROSS sowie Sängerinnen wie GWEN STEFANI und M.I.A. dem Trump-Lager zugerechnet werden.

Jene, die heutzutage als „Linke“ gelten, sind größtenteils aber selbst Konservative, die sich als linksliberal missverstehen: Die „Ordoliberalen“ unter ihnen lehnen die postmodernen Ansätze für die Gesellschaft ab. Die postmodernen Neoliberalen unter ihnen wurden von den Bevölkerungen der USA und Deutschlands abgewählt. Aber sind nicht diese „Linken“ nur das westliche Spiegelbild der theistischen Fundamentalisten? Gemeinsam ist ihnen nicht nur der Neoliberalismus sondern auch die Liebes- und Leibfeindlichkeit sowie der Hang zu simplen, autoritären Regeln („Wer nicht für Putin und Hamas ist, will Krieg.“; „Wer nicht gendert, ist ein Sexist.“; „Wer kein Kopftuch trägt, ist eine Prostituierte.“). Sie ringen um Macht, nicht um Demokratie. Kein Wunder, dass Friedensbewegte und Queerfeministinnen kein Problem damit haben, neben christlichen und islamischen Fundamentalisten auf Pro-Russland- und Pro-Palästina-Demonstrationen zu laufen. Doch sie schaden ihren eigenen Zielen damit.

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail